Inszenierung vs. Realität
Mit Porno wird Geld gemacht. Klar. Fragt sich nur: von wem? Das ist vielen weitaus weniger klar. Denn die, die heute vor der Kamera stehen, bekommen oft wenig oder gar nichts. Darum geht es mir hier, aber nur am Rande. Meine These lautet: Im Porno geht es eigentlich gar nicht um platten Geschlechtsverkehr, sondern um die Verarbeitung zwischenmenschlicher Erfahrungen. Das Ganze findet in einem komplett kontrollierten Kosmos namens Porno statt.
Wenn man große Plattformen betrachtet, die wie die bekannten Pornoriesen den Markt dominieren, sieht man deutlich, dass streng zwischen Straight, Gay und Transgender unterschieden wird. Wenn beispielsweise eine transsexuelle Frau in einem Hetero-Porno mitspielen will, kann das schon im Vorfeld scheitern, weniger wegen körperlicher Merkmale, sondern aus Gründen der Kontrolle. Eigentlich ziemlich spießig.
Wäre Porno wirklich nur die Darstellung von Sex, wären sexuelle Orientierung und Identität der Beteiligten egal. Das ist aber nicht der Fall, und daran hat sich bis heute wenig geändert.
Dieser Porno-Kosmos funktioniert mit der Inszenierung von Stereotypen, die dem Zeitgeist angepasst werden. Für den Konsumenten fühlt sich das an wie ein Mittagessen in der Betriebskantine: Man bekommt ein paar Varianten vorgesetzt und darf wählen.
Beim Anschauen verarbeitet der Zuschauer eigene Erfahrungen oder spielt Fantasien durch, ähnlich wie beim Lesen eines Buches. Doch die eigene Vorstellungskraft verkümmert durch die inszenierte Wirklichkeit, und vielleicht auch das zwischenmenschliche Kommunikationsvermögen.
Wer sich zu sehr auf Pornografie fixiert, verlernt womöglich, seine Bedürfnisse in der realen Welt im Rahmen eines Konsenses auszuleben.
Wäre Porno echte Realität, dann gäbe es ihn nicht. Aber weil es ein knallharter Markt ist, härter als der Sex vor der Kamera, verschwindet Porno als Ausdruck eines sonst marginalisierten Undergrounds immer mehr.
Anders als Porno spiegelt Sexarbeit eher die Realität von Menschen wider, die gesellschaftliche Außenseiter sind, egal ob im Laufhaus oder als Escort. Vielleicht sucht der spießbürgerliche Konsument auch gerade diese Erfahrung mit Menschen, die anders sind als er selbst. Es ist nicht nur der Sex glaube ich.
Im zeitgenössischen Porno finden sich immer weniger klassische Sexarbeiter, sondern eher sogenannte Adult Actors, die Pornografie wie einen Social-Media-Kanal betreiben müssen, um überleben zu können, oft angereichert mit Webcam-Darbietungen und gesteuert von Managern, Agenturen oder größeren Marken.
Ich selbst habe einmal versucht, mich diesem Markt anzunähern, bin aber schnell wieder zurückgerudert. Dafür bin ich zu autonom und möchte mich nicht verlieren.
Dass es weniger echte Sexworker im Porno gibt, liegt nicht daran, dass wir es nicht können. Aber attraktiv ist dieser Markt für mich nicht. Zumindest möchte ich nicht von Pornografie leben müssen. Porno professionell zu produzieren bedeutet heute, ein bis zwei Clips pro Woche zu veröffentlichen oder eine große Marke mit viel Vitamin B und den richtigen Connections zu sein. Manche schaffen es, daraus eine Karriere zu basteln, singen nebenbei noch auf Balearen-Inseln oder landen im Fernsehen. Aber das sind Ausnahmeerscheinungen.
Und wo sollen bei diesem Tempo die vielen Amateure im eigentlichen Sinn herkommen? „Amateure“ im Porno sind längst Profis. Sie müssen, selbst wenn kein Geld fließt, mit jedem Darsteller, und sei es nur der kleinste Schwanz ohne Face, einen Release-Vertrag abschließen. Das schreckt viele echte Laien ab.
Porno klingt erst einmal nach seichter, wenig anspruchsvoller Unterhaltung. In Wahrheit ist der heutige Markt so staubtrocken wie die Buchungsplattform der Bahn. Und die Leute hinter den Kulissen? Ich meine nicht die Darsteller, sondern die Betreiber, Produzenten und Seiteninhaber. Sie könnten genauso gut auch Klopapierrollen vermarkten. Ihre Beziehung zum Produkt wäre vermutlich dieselbe.
Das ist die Realität von Porno im Jahr 2025.
Ist nicht fast alles zu einem Geschäft mutiert, indem diejenigen am meisten verdienen, die unemotional mit hoher Professionalität Dinge realisieren, die nachgefragt sind? Wer Schwächen im Geschäft durchblicken lässt oder besonders intensiv die Interessen der Akteure einbezieht, verdient deutlich weniger und wird ausgenutzt. Unsere Gesellschaft will das so, nicht wirklich, aber durch die Handlungsweise eindeutig implementiert. Mit Amateur ist weder im Pornobusiness noch auf OF oder sonstwo zufriedenstellend Geld zu verdienen. Wer sich am unemotionalsten um die Bedürfnisse der Kunden kümmert, verdient Geld, der Rest hat andere Antriebe und gibt sich mit weniger zufrieden. Eigentlich schade, weil es die wirklich schönen Momente nicht hervorbringt und Mainstream von Lemmingen überall zu sehen ist. Das wird dann zum allgegenwärtigigen Standard stilisiert und im scheinbaren Idealfalle durchgelebt. Zu wenig Fantasie, zu wenig Individualität, zu wenig Selbsterkenntnis, zu wenig Satisfaction, nicht immer, aber immer öfter....