Vom Outing als Escort
Ich finde es merkwürdig, den Begriff "Outing" mit der Tätigkeit als Escort zu verknüpfen. Es ist nicht nötig, sich aktiv zu outen; allein das Vorurteil durch andere führt praktisch dazu, dass man weniger Teilhabe in der Gesellschaft hat und dass man weniger geachtet bzw. beachtet wird. Dies hat nichts mit einem bestimmten Sein zu tun, das man mit einem Outing erhellt, ausfüllt oder auflöst. Es geht ja nicht darum, wie man wirklich ist, sondern was dann andere davon halten und ich kann diesen Ansatz nur als abstoßend und haft bezeichnen. Man merkt an diesem Umgang, dass Zeit und Gesellschaft stillstehen und es praktisch keine Entwicklung gibt.
Heutzutage ist das zwar nicht mehr ganz so extrem, aber früher konnte ein höherer Schulabschluss oder ein Studium, das ganz normale zivile Zusammenleben, problematisch sein, wenn man ganz einfach irgendwie "anders" war. Liebe, Glück, Freunde gab es für Menschen, die im Abseits standen, oft nicht und wurden durch ein Outing nicht viel mehr. Das mag in manchen Bubbles heute ganz anders sein. Doch immer noch merkt man die Gräben und Konflikte. Deshalb tendiere ich eher dazu bedacht, mein eigenes Leben zu leben, weil ich nicht zum Spielball werden möchte und mich auch nicht rechtfertigen will.
In manchen Fällen kann aus so einer bestimmten Situation der Weg zum Escort eine logische Folge sein. Nicht, weil man dadurch reich wird, sondern weil es ein Ausweg aus einer Gesellschaft ist, die für Menschen wie mich schon vor einem Escort-Dasein pures Gift ist. Wobei Sexarbeit nicht weniger toxisch ist, aber man bleibt unabhängiger und blickt schneller hinter Fassaden. Die Frage eines Outings stellt sich dann jedenfalls nicht mehr, da man mit der “normalen” Gesellschaft, vor der man sich outen könnte, wenig Kontakt pflegt und man wird auch von Angehörigen seltener eingeladen. Bestimmte Gespräche werden nicht geführt, weil solche Lebensdetails diese Leute ohnehin nicht so genau interessieren.
Der Ansatz, sich als Escort outen zu wollen, erscheint mir irgendwie auch wie ein fast eitles Luxusproblem, das ich nicht teile, weil ich überwiegend mit Menschen zu tun habe, die wissen, was ich mache. Oder ich möchte mich nicht mit fremden Leuten über mein Escort-Dasein unterhalten. Denn, was sollte ich diesen damit eigentlich sagen wollen? Ein fremder Mann könnte das leicht missverstehen. Aber ich lebe in Berlin, wo so eine Vita niemanden so wirklich brennend interessiert oder beeindruckt.