Kaum ein gesellschaftliches Phänomen wird medial so klischeebehaftet durch den Kakao gezogen wie die Sexarbeit. Der aktuelle Tatort macht da keine Ausnahme. Im grellen Rotlicht werden Klischees auf die Bühne gehoben, die wenig mit meiner Realität als Independent Escort zu tun haben. Auch in anderen medialen Kontexten sind extreme Outfits, übertriebene Sprache und die Darstellung von Sexarbeitenden als gebrochene oder bedrohliche Figuren keine Ausnahme. Die Prostitution aus der bürgerlichen Kamerspektive wirkt zu 99,9 Prozent immer wie eine Sensation aus Zirkus, Show und „Bäh“ – entmenschlicht, abweichend und fern der Normalität. Aber was steckt dahinter?
Solche Inszenierungen belustigen ein Publikum, das sich am Schaudern labt. Es ist einfacher, uns als „andere“ darzustellen, statt sich der Realität von Sexworkern zu nähern, die irgendwo zwischen Klogang, Lebensmitteleinkauf und alltäglichem Leben, wie jeder andere Mensch auch, relativ unspektakulär existieren. Mal ganz im Ernst: In Wahrheit erfordert unsere Aufgabe Kommunikation, Authentizität und klare Grenzen. Wir erfüllen eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Bordelle, Laufhäuser und FKK-Clubs mögen existieren, aber sie sind nur ein Stück einer sehr bunten Torte. Wenn die Tätigkeit so eine reine Fließbandarbeit wäre, wie im Tatort dargestellt, bräuchten wir keine Werbung. Dann wäre das hier ein Selbstläufer.
Sexarbeit ist kein darstellerischer Job auf einer bunten Bühne voller Drama, sondern eine nüchterne Beziehungsarbeit, die Feingefühl und Respekt verlangt – andernfalls würden die wenigsten Männer in Wahrheit einen hochbekommen.
Die Stereotypen, die im Fernsehen gezeigt werden, sind weder emanzipiert noch modern. Sie spiegeln veraltete Moralvorstellungen wider, in einer Tradition von anno achtzehnhundertirgendwann, die uns als gefallene Frauen zeichnen. In diesen Bildern wartet auf uns vermutlich als Nächstes entweder die Psychiatrie oder das Arbeitshaus – als wären wir unsere eigenen Opfer.
Vielleicht sollten wir uns fragen, warum diese Klischees immer wieder bedient werden. Sie haben wenig mit Empowerment oder einer modernen Gesellschaft zu tun. Stattdessen zementieren sie ein Bild von Sexarbeit, das kaum etwas mit unserer Realität zu tun hat. Vielleicht, weil die Wahrheit – dass wir eigenständig entscheiden, wen wir treffen und wie wir leben – zu unbequem ist?
Für mich bleibt die mediale Darstellung ein Spiegel der Gesellschaft: Sie zeigt, wie wenig über uns nachgedacht wird und wie viele Vorurteile noch existieren. Aber ich weiß: Meine Realität ist komplexer, facettenreicher und ehrlicher, als es eine Serie je einfangen könnte.
Um etwas zu verstehen, muß man sich damit auseinandersetzen. Da sind wir aber schon bei des Pudels Kern. Es ist doch einfacher, sich bedienen zu lassen, als mal darüber nachzudenken, oder Tante Google zu fragen.... Ausserdem haben Escorts keine Lobby..... Klingt bescheuert, ist aber so... Just my 2 Cents. BTW Superblog
Was soll man mit einer unbescholtenen, selbstbestimmten und Frei arbeitenden escort im Tatort?? Da wird sich doch lieber der Damen bedient, die zu so einer Handlung passen... unterlegt mit den Statements der einzelnen Damen. Natürlich Wind, in den Segeln der Prostitutionsgegner....
Schön und ideal wäre es, würde es diese Extremfälle garnicht geben!!
Für einen Großteil der Frauen ist Sexarbeit eine unmoralische und verachtenswerte Tätigkeit, die es einem Partner leicht ermoglicht, dem beziehungsmonotonen Einerlei zu entkommen und konsequenzlos sexuelle Fantasien ausleben zu können. Die Macht der Ehe und die Moral des schlechten Gewissens wird quasi einfach (er) ausgehebelt und das gefällt vielen Frauen nicht. Männer sind da anders. Eine Abwechslung stellt für sie nicht eine Beziehung in Frage oder entwertet die übrigen Gemeinsamkeiten, die eine Partnerschaft besonders machen unter den Beziehungen und Freundschaften, die wir sonst so leben. Es ist wie ein gutes Essen, daß man sich gönnt und gelegentlich bei übergroßem Hinger auch braucht, ohne gleich eine Beziehung in Frage zu stellen. Frauen brauchen sexuelle Abwechslung normalerweise seltener dringlich und erwägen eher einen Seitensprung anstatt einer sexuellen Ablenkung. Sie sind emotional öfters enttäuscht, gelangweilt oder nicht beachtet und wünschen sich Aufmerksamkeit und Nähe, nicht nur, aber auch Sex. Eine zwielichtige und verachtenswerte Darstellung von Sexarbeit hilft also in erster Linie einem Großteil der (seriell monogamen) Frauen und wird auch politisch fast ausnahmslos von dieser Klientel reglementiert, die ihren Einfluss auf die Befriedigung des Mannes und dessen Handeln in der Partnerschaft bestimmen möchte. Männer machen häufiger Erfahrungen mit Sexarbeit und dessen Besonderheiten, als Frauen das tun, Prozentangaben findet man nicht. Schätzen würde ich, daß etwa 40-50% aller Männer in ihrem Leben mit Sexarbeit mal in Kontakt waren und nur unter 1% der Frauen sich aktiv damit persönlich und live beschäftigt haben, ein krasses Ungleichgewicht. So entstehen falsche Vorstellungen, die auch noch medial inszeniert werden, um eigene Machtinteressen durchzusetzen, wobei die vorherrschende Moral natürlich auch von monogamen Männern mitgetragen wird. Hauptantrieb dieser Darstellung ist meiner Meinug nach die sexuelle Macht der (monogamen) Frau in einer Partnerschaft über Sexualität bestimmen zu können und eine emotionale Angst, bei einfachen Alternativen nicht genügen zu können und den sich daraus ergebenden Verlustängsten.
Naja, vielleicht einfach mal nachts in Bahnhofsnähe durch ein Laufhaus gehen. Für mich sind das absolut deprimierende Orte. "Bordelle, Laufhäuser und FKK-Clubs mögen existieren, aber sie sind nur ein Stück einer sehr bunten Torte." Wenn man jetzt noch die sogenannten Wohungspuffs dazuzählt, mit oftmals sehr sehr unfairen Konditionen für die Damen, dann macht das mit Sicherheit eher dreiviertel der Torte aus, als nur ein Stück. Und man muss auch nicht mit Moral kommen, wenn man behauptet, dass der Großteil der osteuropäischen Damen dort, diesen Job eben nicht ausüben würde, hätten sie andere Möglichkeiten oder kein Kind in der Heimat zu versorgen. Ich habe den Tatort nicht gesehen und ich wünschte mir auch eine mediale Darstellung, die mehr den Menschen dahinter zeigt. Jedoch Wortkünstlerinnen, die nach Feierabend aus ihren schicken Büros für Medien, bezahlt durch 5-Sterne-Hotels turnen, spiegeln nun auch nicht "die Realität" der Sexarbeit wider. Und viele marketingtechnische Maẞnahmen einzelner Sexarbeiterinnen geht oftmals zu Lasten der gesamten Sexarbeit. Wenn ich meinen "Hobby-Huren-Status" wie ein Mantra immer wieder aufsagen muss, dann suggeriert mir das als Aussenstehender, dass es wohl doch irgendwie "besser" ist, sein Geld auf andere Art und Weise zu verdienen. Grundsätzlich vermisse ich, wie schon an anderer Stelle geschrieben, wirkliche Solidarität untereinander. Ich war in aller Arten von Etablissements, in den verschiedensten Bordellen, in Rotlichtvierteln und habe 2,5 Jahre eine Dame durch verschiedene Wohnungspuffs im Ruhrpott begleitet, bis sie endlich ihren langersehnten Absprung geschafft hat und fest in einem seriösen Thaimassagestudio untergekommen ist. Ich habe viel Schatten gesehen und wenn man dann sieht, wie in Freierforen nach guten "Discounter-Ficks" gefragt wird, kann ich wirklich jeden verstehen, der für ein Sexkaufverbot ist. Nur bringen wird solch ein Gesetz nichts. Denn um Armutsprostitution zu beseitigen, hilft kein Verbot, sondern man muss die Armut bekämpfen.