Lagerfeld-Zitate über Paysex
Ein Aufatmen ging in diesen Tagen durch einige Bordelle, Terminwohnungen und Escortagenturen. Das Nordische Modell scheint vorerst vom Tisch zu sein. Manche haben sich gefreut, doch Jubel, Trubel, Heiterkeit stellte sich erstmal nicht ein. Vielleicht, weil viele gelernt haben, vorsichtig zu bleiben. Vielleicht auch, weil kaum jemand glaubt, dass damit schon irgendetwas sicher ist. Und wer weiß schon, was die Zukunft bringt?
Ich gehöre zu denen, die lieber in der Gegenwart und in der Vergangenheit leben. Das “Gestern” ist irgendwie klarer vor Augen als das “Morgen”. Und manchmal bringt die Vergangenheit auch überraschende Verbündete ans Licht.
Einer, der sich früh und klar zum Thema käufliche Lust geäußert hat, war Karl Lagerfeld (1933 – 2019). Ja, wirklich. Der Mann mit der Sonnenbrille, den steifen Krägen und der gnadenlosen Klarheit. Seine Interviews sind noch heute auf YouTube zu finden. An einige seiner Aussagen zur Sexarbeit möchte ich in diesem Blog erinnern. Man kann über ihn denken, was man will, aber sein Verhältnis zu Erotik, Homosexualität und Menschen war frei von Heuchelei, Biederkeit und spießbürgerlichem Getue.
„Frustration ist die Mutter der Kriminalität, also gäbe es ohne Prostituierte und ohne Pornos sehr viel mehr Kriminalität.“
– Karl Lagerfeld
Ich finde diesen Satz aus einem VICE-Interview sehr bemerkenswert. Lagerfeld spricht nicht über Moral, sondern über Realität und benennt etwas, das viele verdrängen: Wir leisten einen Beitrag zum sozialen Frieden, auch wenn man uns dafür selten dankt.
„Ich bewundere Pornos. Und ich mag nur High-Class-Escorts. Ich schlafe nicht mit Menschen, die ich wirklich liebe.“
– Karl Lagerfeld
Ich selbst würde Escorts nicht über alles stellen, denn es gibt auch andere Akteure in der Sexarbeit, die ihre Berechtigung haben, und für manche mag sein Verhältnis zu Liebe distanziert klingen. Aber in seinen Worten steckt ein nüchterner Realismus. Und ja, bei vielen Escorts sind Ästhetik, Selbstdarstellung und Inszenierung oft ein bewusster Teil der eigenen Identität. Das kann, unabhängig von reiner sexueller Lust, durchaus reizvoll sein.
Was mich besonders berührt, ist Lagerfelds Respekt für Pornodarsteller:
„Ich denke, es ist viel schwieriger, Pornodarsteller als Schauspieler zu sein.“
– Karl Lagerfeld
Das Zusammenspiel aus Körper, Lust und Intimität ist wie eine Kunstform. Porno ist nicht nur Abbildung von Sex, sondern ein Raum, in dem etwas entsteht. Etwas wahrhaftig Menschliches. Und auch das ist eine Bühne für Unterhaltung, von Ästhetik und Zeitgeist, die ihre Berechtigung haben.
Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, Lagerfelds Worte, die ich hier nur kurz angerissen habe, sind ganz bestimmt ein Vermächnis für uns alle. Sie schenken Trost. Vielleicht kommt das Nordische Modell doch noch durch die Hintertür. Vielleicht aber auch nicht. Im Moment bin ich hier. In dieser merkwürdigen Gegenwart, in der sich Begehren, Bedeutung, Berührung und Wärme manchmal für eine Stunde im Paysex die Hand reichen.
Quellen:
Bruce La Bruce: Selbstportrait von Karl Lagerfeld. Interview in: VICE, 18.1.2011.
Lagerfeld Confidential, Regie: Rodolphe Marconi, Frankreich 2007.