Samstag Abend kurz vor Mitternacht in der Arena 🏟️ von Verona.
Die sensationelle Aufführung geht langsam zu Ende und auf der Bühne wird es kurz dunkel. Eine kleine Veränderung des Bühnenbildes ist notwendig.
Ich sitze mit meiner Begleitung genau richtig, direkt Oben Recht, wo die ganzen Insider sitzen, teilweise stehen, und die Vorführung beobachten. Es sind offensichtlich auch Opera Sänger dabei, weil Zwei in der großen Pause auf der Treppe runterlaufend, anfingen zu singen. Ich bin einmal versehentlich die falsche Treppe genommen um das Bad aufzusuchen und von einer Dame wurde ich sofort zu recht gewiesen, dass ich mich in der Backstage befinde, wo ich nichts zu suchen habe.
Aber jetzt mit meinem Handy offen in der Hand, warte ich sehensüchtig auf DAS LIED. Das Gefangenenlied. Es musste jetzt kommen.
Mein Begleiter (wie so oft) ahmt mir nach, und holt auch seine Kamera aus meiner Handtasche. (Sehr begrüßend, dass man allgemein es nicht verbieten Aufnahmen zu machen, nur ohne stöhnenden Blitz natürlich. In Deutschland ist leider nicht so.)
Ich drücke auf dem Knopf zum aufnehmen, sobald die ersten Lichter aufgehen und die ersten Sänger erscheinen.
Wer Nabucco kennt, weißt, wie dramatisch die Geschichte ist. Dementsprechend auch die Musik. Ich bekomme Gänsehaut und dicke Tränen verlassen meine Augen und rollen auf meinen Wangen über meinen Hals, runter bis zu meinen Brüsten.
Ich will sie nicht abwichen, um meine Aufnahme nicht zu verwackeln, aber ich kriege es schon mit. Emotional bin ich 100% berührt, gleichzeitig auch aufgewühlt.
(Für die weniger Operabegeisterten:) Im Nabucco handelt es sich im Grunde um die Verfolgung von den jüdischen Volk, aber auch um die väterliche Liebe, Machtkämpfe, Kampf um die Liebe…… also auch heute noch aktuelle Themen.
Die Bekleidung und die Methoden ändern sich, aber der Mensch an sich hat sich weder verändert, noch sich verbessert in den vergangenen 2500 Jahren.
Meine Gedanken wandern zu meinem lieben jüdischen Freund Ronny, der uns vor genau zehn Jahren plötzlich verlassen hat. Aber auch über unsere Geschichte, Nationale Zugehörigkeitsgefühle etc. Ich bin mega stolz darauf wo ich herkomme. Aber ich habe es verstanden, was dem deutschen Volk alles angetan wurde und ich stärke und ermutige junge Deutsche immer wo ich kann, um dieses Gefühl zu stärken. Denn ein Volk hört auf zu existieren, wenn dieses Gefühl erfolgreich ausgetrieben worden ist und lebt weiter und gedeiht, immer und immer wieder, und trotz jede Unterdrückung, wo das Gefühl von der Zugehörigkeit erhalten bleibt.
Das Publikum tobt nach Abklang des Liedes.
Es war so stark gesungen, so Furcht erregend und bewegend, dass man sich in der Geschichte zurückversetzt fühlte, in der damaligen Babilónica.
“Bravi!!!” “Bravo Master!” schreiten die Kollegen nebenan.
Der Dirigent entschied sich das Lied nochmal singen zu lassen.
Ich habe schon viele gute Opera gesehen, aber noch nie erlebt, dass die Zugabe Mitten in der Vorführung kommt. Ein Wahnsinn! 😍
Nun ja.
Es war eine anstrengende, emotional bewegende Woche.
Erst zwei Tage in meiner Heimat, dann drei Tage in Italien. Über 4000 Km gefahren, kaum geschlafen, Mega untervögelt wieder, aber innerlich zufrieden.
Ich hätte die beiden Reisen nur noch toppen können, wenn ich einen Mann mitgehabt hätte um mal zwischendurch….. 😁 Auf der Autobahn, im Hotelzimmer, oder wer weiß wo. 😜
Schön geschrieben und beschrieben! Musik vereint alle Menschen. Sollte sie.
Das Live-Erlebnis ist halt multidimensional. Für die einen ist es die Oper, andere bevorzugen harte Rockmusik, und wieder andere sind ganz vernarrt in Schlagermusik. In diesem Moment fliegt Voyager 2 mit einer vergoldeten Schallplatte mit der Musik von Beethoven aus unserem Sonnensystem heraus. Wenn die Erde schon verschlungen ist von der Sonne, wird diese Musik noch durch den Raum fliegen. Überholt von unseren Radiowellen. Nichts wird vergessen.
😱😱😱 Wie schrecklich! Nun ja, Voyager 1 hat meines Wissens die gleiche Schallplatte. Außerdem bleibt ein Hologramm der gefressenen Masse auf dem Ereignishorizont des schwarzen Lochs. Ich habe schnell eine Sicherungskopie von Beethovens Sinfonien auf USB-STICK gemacht. Nur für den Fall dass beide Voyager Sonden verloren gehen. Mondscheinsonate habe ich gleich mitkopiert. War noch Platz auf dem Stick.
😆 Ich wusste gar nicht, dass ich sogar Astronomen unter meinen Lesern habe! Ein Genuss euren Vergleiche zu lesen. Solch eine Diskussion können nur belesenen Leute führen. 😉
Oh ja . 🤩 - ich habe Nabucco vor 2 Jahren auf der Festung Ehrenbreitstein erleben dürfen - verstehe Deine Gefühlswelt :-))
Va, pensiero, oder hier bei uns unter " Teure Heimat " bekannt habe ich vor 49 Jahren auf der Beerdigung meines Vaters gehört, danach nie wieder. Unabhängig vom damaligen Anlass würde ich es auch als sehr bewegend bezeichnen, schätze ich würde heute auch eine Gänsehaut bekommen und die eine oder andere Träne würde wohl auch kullern...........auch bei einem alten Rocker.