Auf dieser Welt gibt es nichts, was so schwer zu gewinnen und so leicht zu verlieren ist wie Vertrauen.“ (Haruki Murakami)
Teil 1/ 2
In den 1990er Jahren veröffentlichte der niederländische Philosoph und Lehrer Berrie Heesen eine faszinierende Kindergeschichte. In dieser Geschichte bekommt jede Person, ob Erwachsener oder Kind, eine spezielle Box. In der Mitte dieser Box befindet sich ein Gerät, dessen Knopf – wenn gedrückt – die ganze Welt zerstören könnte. In der Geschichte tragen alle ihre Box bei sich, sich der darin liegenden Macht bewusst, und hoffen, dass niemand den Knopf drückt. Denn dann würde die Welt untergehen.
Dieser Gedanke brachte mich zu einer simplen, aber tiefen Erkenntnis: Das ist Vertrauen.
Vertrauen entsteht aus einem Gefühl grundsätzlicher Gleichheit, trotz aller Unterschiede unter den Menschen. Meiner Meinung nach gehört Vertrauen zu den komplexesten, aber auch grundlegendsten Konzepten in unserem Leben. Was bedeutet es, jemandem zu vertrauen? Laut Wikipedia ist es einfach erklärt: „Man erwartet, dass eine Person einem hilft oder zumindest keinen Schaden zufügt. Vertrauen fördert daher Kooperation.“ Doch in der Praxis ist Vertrauen viel mehr als nur eine Erwartung – es ist die Basis zwischenmenschlicher Beziehungen.
Als Escortfrau stelle ich mir oft die Frage, ob ich meinem Gast vertrauen kann. In meinem Kopf schwirren viele Gedanken, besonders wenn mich andere Männer fragen: „Hast du keine ?“ Habe ich ? Was bedeutet das für mich? Ja, ich spüre manchmal . Aber ich könnte ebenso viele Gründe finden, es nicht zu tun. Ich mache aber meine Arbeit gerne und habe bisher positive Erfahrungen gesammelt. Vielleicht ist nicht jeder Mensch für die Arbeit als Escort geschaffen (?), aber diejenigen, die ich kennengelernt habe, haben meist keine Berührungsängste. Ihre Gedankenwelt, vor allem in Bezug auf Erotik, ist oft offener und experimentierfreudiger. Es hat viel mit Psychologie zu tun – mit der Selbstwahrnehmung und dem Verstehen anderer Menschen.
Als Gesellschaft sind wir darauf angewiesen, einander zu vertrauen. Denkt nur einmal daran, wie wir im Straßenverkehr täglich unser Leben in die Hände anderer legen, ob wir nun Auto fahren oder den Bus nehmen. Wir sind unweigerlich voneinander abhängig. Und ob es nun um Sexarbeit geht oder nicht – oft müssen wir uns in intimen Momenten öffnen, wie bei einem Zahnarzt- oder Frauenarztbesuch. Vertrauen darf kein beiläufiges Nebenprodukt sein!
Es ist etwas, das aktiv gepflegt werden muss.
Als Escortfrau liegt mir viel daran, das Vertrauen meiner Gäste zu gewinnen. Der wichtigste Punkt für mich ist, keine bearbeiteten Fotos hochzuladen. Ich präsentiere mich so, wie ich bin – echt und unverfälscht. Wenn jemand mich besucht, trifft er auf die Person, die er ausgewählt hat. Mein Profiltext ist bewusst ausführlich, und ich erwarte, dass jeder Gast ihn liest und respektiert – vor allem meine Grenzen und Tabus. Auf respektlose Fragen, wie ob ich Analverkehr anbiete (obwohl dies als Tabu deutlich markiert ist), antworte ich nicht und diskutiere auch nicht darüber. Solche Anfragen en mein Vertrauen.
Es ist schön, wenn ein Gast bereits Bewertungen hat, aber das wirft die Frage auf: Sollte ich jemandem absagen, nur weil er ein ohne Bewertungen hat? Hier kommt das gegenseitige Vertrauen ins Spiel: Ich muss darauf vertrauen, dass du aufrichtiges Interesse hast, respektvoll bist und die Vereinbarung einhältst. Du wiederum musst mir vertrauen, dass ich so bin, wie ich mich präsentiere, und deine Erwartungen erfülle. Das ist Vertrauen. Ich könnte noch viele Beispiele nennen, aber das würde in andere Themen abdriften....