Juhu, endlich wieder ein Buch von einer Hure, die Insiderwissen auspackt.
Alina Angel ist 101% Hure und was für eine. Braungebrannt, attraktiv, mit einer riesigen Oberweite und langen dunklen Haaren. Reich mit Fotos illustriert. Leider nur in schwarz-weiss.
"101% Hure" ist auch der Titel, vielversprechend ergänzt um: "Sex, Drogen, Gewalt - eine Insiderin packt aus".
Ich habe das Buch in einem Rutsch gelesen und muss sagen, es zeichnet ein sehr realistisches Bild über den Arbeitsalltag. Alina Angel aus Leipzig, mit zehn Jahren Erfahrung in der Wohnungsprostitution, schliesst nun ihr "Wirtschaftsunternehmen Pussy" und orientiert sich gerade neu. Schön, dass sie uns ein Buch hinterlässt, in dem sie diese zehn Jahre Revue passieren lässt. Es ist keine oberflächliche oder knallharte Abrechnung, wie man sie in der Ausstiegsliteratur häufig findet, sondern zeigt alle Seiten des Gewerbes schamlos auf. Danke dafür.
Und dieses Erotik-Gewerbe hat sich entscheidend verändert, die Preise im Keller, die Bereitschaft, alles für Geld zu tun, auch alles zuzulassen. Ihr Selbstverständnis als Hure: "Ich sah meinen Körper in erster Linie als feuriges Sexobjekt für andere, an zweiter Stelle stand mein eigener Spaß und an dritter Stelle diente mein Körper als Geldquelle."
Womit wir auch die Bandwurm-Fragen geklärt hätten, ob ein selbstbestimmtes "Sexobjekt" Spaß haben kann oder ob man es nur wegen dem Geld macht.
Kann man auch Spaß haben, ohne selbst einen Orgasmus mit einem Kunden zu haben? Werden sicher viele Kunden fragen, wenn sie das lesen. Klar, schreibt sie, der Spaß liegt ja u.a. darin, dem anderen sexuelle Lust zu verkaufen und erotische Vorlieben kennen zu lernen.
Sie macht auch klar, dass sie die Grenze zwischen Arbeit und Privat immer strikt zog und dass sie keine Liebe verkaufte. Manche Gäste hielten ihr daher Professionalität vor, wie man das ja heute überall in Foren vorwurfsvoll hört, dort wo die Hobbykeule rausgeholt wird. Damit hatte sie kein Problem, denn sie betrachtete den Job als Beruf. Finde ich gut. Offenbar wurde das in früheren Zeiten eher respektiert, "die Herren hatten Achtung und Respekt vor den Ladys." Vielleicht ist die Liebeskasper-Quote heute deshalb so hoch? Weil bei vielen der Respekt verloren gegangen ist? Oder ist das Gegenteil der Fall und die Bedürfnisse der Kunden haben sich geändert?
"Leider", so schreibt sie, "verkaufen heute viele Frauen nicht nur ihren Körper, sondern auch ihre Seele. Obwohl sie an bestimmten Sexpraktiken keinen Gefallen finden, bieten sie diese gegen Entgelt an. Meistens ist es dann eine Frage der Zeit, wie belastbar die Dame ist und wie lange sie körperlich die sexuellen Handlungen gegen ihren Willen ertragen kann. Es gibt wahre Schauspieltalente aber bedauerlicherweise auch Damen, die mit der Situation überfordert sind und anschliessend im Sumpf der Zwangsprostitution enden."
Und ich dachte immer, sog. Zwangsprostitution wird nur durch Dritte ausgeübt und dass sich eigene erotische Vorlieben im Laufe des Lebens verändern, also auch während der Zeit im Erotik-Gewerbe. Also endet die freiwillige Überschreitung der Grenzen früher oder später in einer unfreiwilligen Situation? Dass die Frauen sich überwinden müssen, wäre also schon selbst "Zwangsprostitution"? Oh weia, das behaupten die ProstitutionsgegnerInnen und viele Feministinnen auch immer.
Ein gutes Beispiel für ihre Arbeitsweise ist der Umgang mit dem arroganten Schnösel, der seine Preisvorstellung hinausbellt und an ihr grußlos vorbei in ihre Wohnung marschiert. Schon im Vorgespräch zeigt sie ihm die Tür. Der Typ hatte deshalb auch keine Lust mehr, aber vielleicht hat er ja was dazu gelernt, um es beim nächsten Mal nicht zu versauen. Eine starke Frau, diese Alina Angel, die sich von keinem Kunden bevormunden lässt, auch wenn es geschäftsschädigend ist. Frau will ja auch nur die "Guten" treffen.
Also Mädels, hier schreibt ein Profi und vieles ist so wahr, so wahr und darüber lohnt ein Nachdenken.
Interessant sind nicht nur ihre intimen Bekenntnisse, ihr Arbeitsalltag und Erfahrungen mit Kunden, ihre Meinung über Internetberichte, auch Ereignisse wie das, wo die Kripo bei Alina anruft und sich herausstellt, dass einer ihrer Kunden ein Prostituiertenmörder ist. Sie kann es kaum glauben. Der war doch immer so liieeeeb. Vielleicht hatte er sich in die Kollegin verknallt und wollte trotz "Nein" nicht von ihr ablassen? Aus dem Buch ist dazu weiter nichts zu erfahren.
Das Buch ist auch ein Aufklärungsbuch, zweieinhalb Seiten sind der Gesundheit gewidmet, wo sie über Risiken bei ungeschütztem Sex aufklärt und ihre Einstellung zu safer Praktiken begründet. Interessant ist das Gespräch mit einem ihrer Kunden, der selbst Urologe ist. Er erzählt aus seiner Praxis, was die Folgen für die Männer sind, die tabulose Angebote ausgelebt haben. Es kostet sie viel Überwindung, zum Arzt zu gehen, wenn sie ärztliche Hilfe benötigen. Leichter wäre es ihnen wohl gefallen, wenn sie wüssten, dass der behandelnde Arzt selbst Freier ist und vorzugsweise safer Services von professionellen Huren anfragt.
Zur Leseprobe und wo man es bestellen kann, geht es hier lang ….