Unser weitgereister Gastautor und Community Mitglied 3lives überrascht uns in dieser Woche nicht nur mit einer schönen Schreibe, er schildert uns seine Erfahrungen aus New York City, wo Prostitution bekanntlich verboten ist, er aber trotzdem in den Genuss einer erotischen Massage kam. Gerne würde man mehr von ihm lesen....  

 

"Let's make the best of it!" (Shakespeare, Coriolanus. V, 6) Während bei uns ein Prostitutionsverbot immer mal wieder diskutiert wird, ist man in Amerika, wo stattdessen eine gewaltige Industrie ansässig ist, die einen unablässig in der elenden Haltung bestärken will, das Spektrum der Sexualität erschöpfe sich in der gesamten Palette ihrer Video-Erzeugnisse, schon einen Schritt weiter: hier findet Prostitution nur im Illegalen statt. Denn natürlich kann keine staatliche Verordnung das eherne Naturgesetz, dass Armut Prostitution bedingt, einfach austilgen. Übrigens frage ich mich ganz allgemein, wie man eine Anklage gegen einen Freier eigentlich genau durchbringen will: "Wir sind uns auf der Straße zufällig begegnet und haben uns Hals über Kopf ineinander verliebt. Daher ist sie in mein Auto gestiegen und wir hatten auch schon bald Sex. Und ich habe ihr soundsoviel Dollars gegeben, damit sie sich was anständiges zum Anziehen kauft." Mögen Anwälte darüber befinden, ob das eine tragfähige Verteidigungsstrategie abgibt.

 

Nach einem Laufhaus wird man in New York jedenfalls vergeblich suchen. Dagegen scheint es hier und da einschlägige Viertel zu geben, in denen man zur rechten Stunde auf Straßendirnen treffen kann. Ich habe die Vorstellung, dass die Polizei dieses Treiben gewähren lässt, und sich dabei, wie auch anderswo, mit der Halbwelt in geheimem Einverständnis befindet, und das Wechselspiel beider Seiten nach einem für den Außenstehenden schwer fasslichen, aber unumstößlichen Regelwerk erfolgt, welches also nicht unbedingt mit dem eigentlichen Gesetz übereinstimmt. Trotzdem sollte man sich hier besser fernhalten, da etwa 33 % dieser Sex-Arbeiterinnen HIV-positiv sein sollen. Das mag etwas übertrieben sein, aber ein alter Kalauer besagt, dass man generell beim Thema Geschlechtskrankheiten nicht einfach die Hände in den Schoß legen sollte. Näher an der Grenze zur Legalität liegen die diversen Escort-Agenturen, deren Mitarbeiterinnen, offenbar nicht nur aus juristischen Gründen, betonen, keine Prostituierten zu sein, sondern "Kurtisanen", Gespielinnen von Gentlemen, die daher auch entsprechend kosten (300 $ die Stunde und bis weit darüber hinaus). Ich unterstütze diese Aufwertung und erinnere daran, dass uns über einen der alten Geschichtsschreiber die Kunde von einem Volk überliefert ist, bei dem die angesehensten Frauen gerade die käuflichen waren: denn sie wurden von den meisten Männern geliebt. Da diese ganze Reise sowieso schon im Zeichen einer Phase schwerer Melancholie stand, suchte ich für diesmal anstatt Sex nur etwas Nähe, Zärtlichkeit, Entspannung, und meine Wahl fiel auf einen der Spas, also Massage-Salons. Der Laden im etwas finsteren östlichen Teil von Midtown Manhattan im Schatten des Chrysler Building mit seinen grimmigen Wasserspeiern beherbergt ausschließlich Ostasiatinnen, die ich wegen ihrer meist wunderbar reinen, zarten, hellen Haut so besonders verehre. Ich denke wirklich, dass, wer schlechte Haut hat, kein guter Mensch sein kann. Zu meiner Überraschung stand auf dem zum betreffenden Stockwerk gehörenden Namensschild unten an der Haustür ein nichtssagender Firmenname, aber läuft man durchs Treppenhaus nach oben, klebt an der Tür ein richtiglautendes handschriftliches Schild, sodass man sich also nicht etwa in der Adresse geirrt hat. Beim Einlass wird man von der Chefin empfangen, die sogleich 70 $ einkassiert, die Sachen können im Spind verstaut werden, und, bejaht man die Frage nach einer vorherigen Dusche, wird man auch schon dorthin geleitet. Dort wurde ich von dem zweifelhaften Segen ereilt, von einer Mitarbeiterin abgeduscht zu werden, indem ich mich auf eine Bahre legte und sie mit einer gewaltigen Kelle aus einem von einer Duschbrause gespeisten Bottich heißes Wasser schöpfte und über mir ausgoss. Mit rauen Handschuhen verteilte sie den Seifenschaum: "Manchmal // wäscht sie die Schwester. Wie man Bänke wäscht." Es ist dies der Moment, an dem man darüber nachsinnt, welch entstellte Formen die an sich vom Erdenleben bereitgehaltenen Genüsse zuweilen annehmen. Nachdem die Prozedur beendet war, wurde ich ins Massagezimmer geführt, das etwas finster, aber professionell eingerichtet wirkte, womit es auch seine besondere Bewandtnis hatte, wie mir bald klar wurde: Meine Masseurin für die nächste Stunde wurde mir als Koreanerin vorgestellt, den Namen habe ich nicht mitbekommen, falls er genannt wurde. Sie hatte ein bildhübsches Gesicht, nur war sie sehr züchtig gekleidet, mehr wie eine Krankenschwester. Zwar äußerte ich erwartungsgemäß den Wunsch nach einem ("erotischen") body rub, was ein happy end einschließt (wer eine "Massage" fordert, läuft Gefahr, auch tatsächlich bloß eine Massage zu bekommen), aber das Ganze behielt soweit es ging den Anschein des Legalen, Unverfänglichen. Es wär sicher ein Leichtes für sie gewesen, sich zu entkleiden, aber auf meine Aufforderung "I would so love to see more of you" antwortete sie nur mit einem gestrengen, abweisenden "OK...". Man wollte vielleicht im Falle einer Razzia nicht unvorbereitet sein, und hat sich erhofft, dass die Masseurin die Zudringlichkeit der Polizei abwehren könnte, indem sie sich einfach flugs meinen Schultern oder sonst einem unbedenklichen Körperteil zugewandt hätte. Es hätte dann alles halbwegs medizinisch ausgesehen. Ansonsten war sie ein wahres Goldstück, und wirkte nebenbei vom Widrigen ihres Berufs ganz unbetroffen. Anfassen war auch erlaubt, und unsere Unterhaltung danach war sogar sehr lustig, auch weil sie so putzig nach den Wörtern gesucht hat. Und ich kann selber nur staunen über die sonst ungekannte Geschwätzigkeit, die ich in solchen Situationen an den Tag lege (einer sagte: "so redselig ist ein Freier, der schlecht umarmt"). Die Ernüchterung der Kunden über die amerikanischen Weiber, von der sie mir berichtet hat, nehme ich ernst. Wie oft möchte man den Mädchen dort zurufen, sie mögen niemals so werden wie ihre Mütter! Es wäre vergeblich. Ob sie sich wirklich so sehr amüsierte, weiß ich nicht natürlich nicht. Allgemein ist es ein gutes Zeichen, wenn sie mich darauf anspricht, wie dürr ich bin (und weiß Gott, ich seh beinah aus wie aus einer Lagerhaft entlaufen), bedeutet es doch, dass sie unsere Begegnung nicht einfach nur möglichst unkompliziert über die Bühne bringen will. Auf das im Voraus eingeforderte Trinkgeld von 50 $ legte ich noch weitere 20 $ drauf. Ein wenig verwirrt fuhr ich zurück ins Hotel. L., (C) 2014-15

 

Written by Gastautor


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