Mein Gott, die Männer sind im Bordell „La Maison“ sicher tot umgefallen, weil eine Französin, die was vom Eros versteht der Traum vieler Männer ist. "La Maison" ist natürlich nicht der richtige Name des Bordells, aber beim Lesen des Buches erkannte ich das Bordell in Berlin Wilmersdorf wieder, wo ich 2007 gearbeitet habe.
Emma Becker hat den Bestseller Roman „La Maison“ geschrieben, über ein Leben in Berlin und ihre Arbeit in einem Bordell. Auch Escort Traumfrau hat erst kürzlich dazu einen Blog geschrieben. Emma arbeitete unter dem Künstlernamen Justine zwei Jahre in Bordellen. Sie hat sich auch eins der stabilsten Betten nach der bedauerlichen Schliessung von "La Maison" privat unter den Nagel gerissen, wo ich im 1001-Nacht Zimmer meine Klienten nach Termin für eine oder zwei Stunden glücklich gemacht habe. So schliesst sich der Kreis. Die Betreiberin zog es vor, "La Maison" zu schließen, weil sie kein Interesse hatte, die Registrierungen der Frauen nach dem Prostituiertenschutzgesetz zu überprüfen. Ich habe allerdings mehr als 20 Bordelle alleine in Berlin kennengelernt und habe mich durch alle Bezirke und entlang der S-Bahn Linien entlang gevögelt. Das "La Maison" habe ich leider viel zu spät kennengelernt, als ich schon Independent Escort war und nur noch wenige Hotel-Termine annahm. Dafür hab ich mich gelegentlich im "La Maison" stundenweise eingemietet, bis die anderen Mädels alle im Dreieck sprangen, weil ich gewisse Privilegien genoß. Ich musste nämlich viel weniger Miete zahlen, weil ich Aktivistin für Hurenrechte war, aber das wußten die Huren dort nicht, nur die Chefin. Ich kam und ging, wann ich wollte.
Hier also ein Gespräch zwischen zwei Ex-Huren, Emma und Susi, die beide in Berlin ihr Glück gefunden haben. Sag mal Emma, warum hast Du mit der Sexarbeit angefangen und warum hast Du Dir dafür ein Bordell ausgewählt? Warum hast Du als kluge Frau nicht auf eigene Rechnung gearbeitet? z.B. als Independent Escort. Emma: Ich war neugierig und wollte meinen Lebensunterhalt finanzieren, da man von Büchern nicht leben kann. Ich habe über Google eine Adresse gefunden und wollte ein Buch über Sexarbeit schreiben. Ich habe in Berlin deshalb gearbeitet, weil man sich nicht wie in Frankreich verstecken muß, wo es ein Sexkaufverbot gibt. Ich wollte herausfinden, wie der Alltag, der Beruf einer Hure aussieht. Viele Bücher sind für Freier geschrieben. Ich wollte aber ein Buch aus der Perspektive einer Sexarbeiterin schreiben.
Hast Du Erotik im Bordell gefunden? Teilweise ist es ja spiessig und die Kommunikation unter den Frauen belanglos. Hast Du das Verruchte gefunden? Emma: Ja, ich wollte eine sexuelle, offene Frau sein, wo die Männer an Sex denken. Die Verführung, das Begehren hat mich neugierig gemacht. Aber der Arbeitsalltag ist oft langweilig, es gibt kaum Männer mit durchgeknallten Fantasien, die meisten wollen gekuschelt und unterhalten werden.
Ich habe als Fetisch-Escort gearbeitet, um interessante Rollenspiele zu erleben. Ich wollte nicht kuscheln, keinen Girlfriend Sex, obwohl man damit am meisten Umsatz machen kann. In Filmen und Büchern über Prostitution gibt es sehr viel Geilheit und eine aufgeheizte Atmosphäre. Aber im Bordell habe ich das nicht gefunden. Emma: Ja die meisten heterosexuellen Männer sind spießig und verklemmt, im Gegensatz zur homosexuellen Szene. Ich habe aber öfter einen Orgasmus im Bordell gehabt. Manche Kunden lecken auch wie ein Weltmeister.
Glaubst Du, dass Bordelle grundsätzlich mehr Schutz als andere Arbeitssettings bieten z.B. privater Empfang, Haus- und Hotelbesuche? Emma: Ja, ich bin auch etwas faul und wollte nicht stundenlang über den Computer Kunden suchen. Ich fand das Zeitverschwendung. Auch wollte ich nicht stundenlang mit Kunden quatschen, lieber habe ich halbe Stunden Service im Bordell gemacht. Selbständiger Escort ist sehr viel Arbeit. Im Bordell wird einem alles abgenommen. Natürlich war das Thema Sicherheit ebenfalls sehr wichtig. Sicherheit im Bordell hängt vom Management ab, und ein Restrisiko existiert immer. Auch wenn man zuhause arbeitet.
Ich bin verwirrt: heisst deine Hauptfigur Emma oder Justine? Ich las beides. Justine war mein Künstlername als Hure. Emma ist mein richtiger Name, aber Becker ist mein Künstlername, da mein französischer Name in Frankreich so häufig ist wie bei Euch Müller, Meier, Schmitz.
Wann hast Du noch geschrieben, wenn Du im Bordell gearbeitet hast? Hast Du dazu noch Zeit gefunden? Ich habe vor und nach der Arbeit geschrieben, nicht im Bordell. Im Bordell habe ich Deutsch gelernt und die Frauen und Männer beobachtet. Für Rollenspiele muß man deutsch sprechen können. Das Berlinerisch hab ich erst nach langer Eingewöhnung verstanden.
Wie sah der Alltag im Bordell für Dich persönlich aus? Manchmal habe ich sehr viel gearbeitet, 10 Männer an einem Tag, das wurde mir dann zuviel und ich konnte den Schweiss von Kunden am Ende eines Tages nicht mehr ertragen. Es ist kein Beruf wie jeder andere. Deshalb schreibe ich auch, ist wie therapeutisches Schreiben, auch um negative Erlebnisse zu verarbeiten. Du lebst in Berlin. Was gefällt Dir an Berlin besonders gut, auch im Vergleich zu Paris? Emma: Ich lebe seit 2013 in Berlin. Ich liebe die Berliner Luft und das ich keine Masken auf der Strasse tragen muss, wie in Paris. Zum Schreiben hat man hier mehr Platz und Zeit. Und es ist nicht so teuer wie in Paris. Mittlerweile habe ich ein Kind bekommen. Es gibt hier viel Grün, viele Spielplätze. Mir gefallen aber die Berliner nicht so gut, da sie unfreundlich und schwierig sind. In Frankreich ist man freundlicher. Ich habe auch lange in England gelebt, weil man dort höflicher ist. In Berlin leben übrigens viele Sexworker aus allen Ländern dieser Welt, die sich hier auch organisieren. Es gibt eine eigene Sexworker Community in Berlin, die nur aus Migrant:innen besteht. In Frankreich sind Bordelle ja offiziell verboten und es gibt ein Sexkaufverbot. Dennoch gibt es sie. Hast Du in Frankreich gearbeitet? Emma: Ich habe mal kurz als Escort in Paris gearbeitet, aber das Geld war damals für mich Luxus und hab es auch dafür ausgegeben. Aber man muss sich verstecken, es ist gefährlich, insbesondere wegen Corona. Es gibt ja einen zweiten Lockdown. Auch die französische Hurengewerkschaft Strass hat Geld gesammelt, um Sexarbeiter:innen zu unterstützen. In Frankreich ist die Gewalt gegen Sexarbeiter:innen seit Einführung des Sexkaufverbots in den letzten Jahren gestiegen.
Was hältst Du vom Thema Steuern zahlen in der Sexarbeit? Emma: Warum muss man sich trotz Legalisierung verstecken? Wieso Steuern zahlen, wenn man stigmatisiert ist und sich verstecken muß?
Was kann man von Huren lernen? Emma: Man kann in der Sexarbeit Konsens lernen. Also Einverständnis zwischen Kunden und Sexanbieterin. Mein NEIN gegenüber Kunden hatte eine größere Bedeutung, als ein NEIN gegenüber Männern in meinem Privatleben. Man kann auch viel über das Thema Sexualität von Sexarbeiter:innen lernen. Ich habe nie als Domina gearbeitet, aber ich finde es interessant zu lernen, wie man ohne Sex eine Session, ein Rollenspiel aufbaut.
Was hältst Du von der Idee, dass Sexarbeiter:innen in Schulen Sexualaufklärungsunterricht anbieten, auch um die sexuellen Rollenbilder, die in Mainstreampornos vermittelt werden, aufzuknacken? Sexarbeiter:innen, die in der Schule Sexualität unterrichten, wäre eine gute Idee. Echter Sex ist ja etwas anderes als Pornographie, das ist ja eher Theater.
Was bedeutet für Dich Feminismus? Emma: Feminismus bedeutet, das eine Frau tun kann, was sie will. Und dazu zählt auch Sexarbeit und andere Möglichkeiten, sich als Frau neu zu erfinden. Dass Strapse meine Arbeitskleidung waren. Ich habe mich im Bordell sehr mächtig gefühlt, anders als Kellnerin. Man nennt das Empowerment. Ich habe im Bordell gelernt, meinen Körper besser zu verstehen und auch leichter einen Orgasmus zu erleben.
Ich habe Emanzipation im Puff gelernt, und Männer schätzen gelernt. Wir werden unterbrochen von einem schwulen Gemüsehändler, der gelauscht hat. Er hat früher an der Reeperbahn gewohnt und verkauft jetzt dicke Schmorgurken, die man für allerlei verwenden kann. Hehe Emma: In Frankreich sagt man über Sexarbeit, das sei bezahlte Vergewaltigung. Und das Huren, die Gewalt erfahren, selbst schuld sind, wenn sie sich auf diesen Job einlassen.
Sexarbeit ist ein Beruf, Zwangsprostitution ist Sklaverei. Das wird von den Prostitutionsgegnern immer verwechselt.
Du sagtest kürzlich im FAZ Interview, dass Männer sich generell wie Kunden benehmen. Wie meinst Du das? Es gibt in privaten Beziehungen immer Momente, wo Sex zur Dienstleistung wird. Wo man Sex als Gegenleistung macht.
Viele Frauen suchen sich einen Mann mit Geld und lassen sich in den Arsch ficken, um finanziell abgesichert zu sein. Dabei sind die Huren die freieren Frauen als die Knechtschaft vieler Ehen in Abhängigkeiten. Wir bieten absichtslosen, reproduktionslosen Sex ohne Verpflichtungen und es ist deshalb die ehrlichste Art - die Prostitution, während die Heuchelei in vielen Beziehungen offenbar normal ist. Der schlimmste Alptraum ist es, eine Woche mit einem Kunden zu verbringen. Besser eine Nummer von nur 20 Minuten ohne emotionale Arbeit. Die geistige Energie, die man einbringt, gegenüber Kunden, die einsam sind, die krank sind, ist viel anstrengender als nur Sex.
Männer schimpfen oft, dass sie bezahlen müssen. Sie wollen am liebsten gratis Sex. Deshalb nennen wir sie Preiskasper. Deshalb haben wir auch den Namen Kaufmich für diese Plattform gewählt, damit klar ist, dass es um BEZAHLTEN Sex und KEINEN Gratis Sex geht. Männer fühlen sich eingeschüchtert, dass sie für Sex zahlen müssen. Sie empfinden das als narzisstische Kränkung, sie wollen mehr als ein Freier sein. Sie wollen als Mensch, Mann, Individuum wahrgenommen werden. So wie Huren als Menschen wahrgenommen werden möchten. Bei Kaufmich ist man aber nicht auf dem Sklavenmarkt wegen dem Namen "Kaufmich", sondern die Huren verkaufen selbstbestimmt ihre sexuellen Dienstleistungen, nicht ihren Körper. Wie hat sich deine Sexualität verändert? Ich habe keinen Bock mehr, unbezahlten Sex anzubieten, also privat. Sexarbeit ist kein Traum, sondern Arbeit.
Wenn ich das „La Maison“ früher kennen gelernt hätte, hätte ich niemals in Bordellen in Neukölln und Kreuzberg gearbeitet. Ich habe niemals genug Geld im Bordell verdient, um ein Studium zu finanzieren. Deshalb habe ich mein Zweitstudium Jura abbrechen müssen, weil ich nicht genug Geld hatte. Schrecklich. Ich wusste damals leider noch nicht, dass man als Escort mit einem einzigen Termin am Abend so viel verdienen kann, wie eine Woche im Bordell ackern. Also geliebt habe ich meinen Job nicht. Emma: Man hat das Recht als Hure, seinen Job NICHT zu lieben. Wie andere Leute im Büro, die ihren Job hassen. Warum soll man seinen Job lieben, warum soll man Prostitution lieben? Man fühlt sich befreit, sexuell, und gewinnt finanzielle Unabhängigkeit. Wenn man von Befreiung spricht, muss man von Geld sprechen. Eine Frau geht nicht in den Puff, um sich zu verlieben, sondern weil sie Geld verdienen müssen. Die Leute denken immer, dass man von Bücher schreiben leben kann. Aber ich habe Sexarbeit gemacht, um meine Miete zu bezahlen.
Stört Dich, dass Frauen in dieser Gesellschaft ständig sexualisiert werden? Wie wirkt sich das auf die Rollenbilder von Frauen aus? Woran orientieren sie sich? Emma: Man wird sexualisiert und ist durch das Geld zugleich befreit, weil es Unabhängigkeit verspricht.
Viele Kolleg:innen geben keine Tipps, Adressen weiter, wo man gut arbeiten kann. Es gibt selten Solidarität. Deshalb habe ich Informationen veröffentlicht, die kostenlos und barrierefrei zugänglich sind, in deutsch und englisch. Wenn man informiert ist, arbeitet man einfach erfolgreicher. Du hast im Bordell genau die Beziehungen zwischen Männern und Frauen beobachtet. Welche Erkenntnisse hast Du daraus gezogen, auch über das Verhältnis zwischen Männern und Frauen? Emma: Die Macht in den sexuellen Beziehungen gehört garnicht den Männern. Auch wenn sie bezahlen. Viele sind schüchtern, haben Angst vor den Frauen, vor der sexuellen Macht und Verfügbarkeit der Frauen.
Hattest Du manchmal Mitleid mit den Kunden? Emma: Ja, manchmal bekommt man Mitleid, weil sie oft einsam sind, sonst nicht gestreichelt werden, ihnen nicht zugehört wird. Da wird man traurig. Ich bin jetzt durch die Sexarbeit eine stärkere Feministin geworden als jemals zuvor. Auch viele Männer leiden auch unter dem Patriarchat.
Man braucht, wie in England, ein Ministerium für Einsamkeit. Die Pussy ist eine Goldmine, die einem Freiheit ermöglicht, bestimmte Jobs und Ziele zu realisieren. In der Kunst, mit Schreiben etc. Vergleichbar mit einem bedingungslosen Grundeinkommen, das die Freiheit der Berufswahl garantiert. Es gibt auch viele einsame Frauen. Es wäre gut für die Gesellschaft, wenn Sexarbeit auch offen für Frauen als Kundinnen sind. Es gibt viele Männer, die Bordelle leiten. Was hältst Du davon? Ich bin kein Fan von Männern, die Betreiber sind. Aber es gibt auch viele Frauen, die schlechte Managerinnen, Betreiberinnen sind. Man braucht Empathie und Liebe, um dieses Management zu machen.
Im La Maison musste man sich nicht rechtfertigen, wenn man nicht zur Arbeit erschien. In anderen Bordellen gibt es strenge Hausregeln, die den Frauen verbieten, das Bordell jederzeit zu verlassen oder mal einen Tag frei zu machen. Ja, das greift schon in die (sexuelle) Selbstbestimmung ein. Hast Du ein neues Buchprojekt in Planung? Emma: Ich schreibe bereits. Mutterschaft ist auch ein Thema. Mutterschaft ist kein Traum, es ist anstrengend, aber Du liebst dieses Kind. Es gibt ja auch Mütter, die ihre Mutterschaft bedauern und ihr Kind nicht akzeptieren. Ich finde es großartig, wenn Menschen genug Zuversicht haben, um Kinder zu zeugen. Ich freue mich für alle Menschen, die diese Zuversicht teilen. Emma: Aber es ist sehr schwierig mit einem Kind, die Freiheit zum schreiben zu haben.
Vielen Dank Emma für das Gespräch!
Das Buch „La Maison“ von Emma Becker ist 2020 im Rowohlt Verlag erschienen. So Leute, haut in die Tasten, schreibt einen Kommentar zu diesem Gespräch mit Eurem Kaufmich Benutzernamen und gewinnt ein handsigniertes Buch! Teilnahmeschluß 15. November 2020. Die Gewinner werden persönlich informiert.