Das Buch von Melissa Gira Grant ist keine Peepshow, wo sie ihre persönlichen Erfahrungen als Sexarbeiterin preisgibt. Es ist ein Buch, das Wissen über Sexarbeit offen legt, und zwar durch Analyse und Austausch von Ideen, nicht durch die "Vermittlung von Erregung". Die öffentliche Wahrnehmung konzentriert sich sonst üblicherweise auf die Sexualität von Sexarbeiterinnen. Das Publikum erwartet einen erotischen Inhalt. Grant will jedoch den Blick auf die Fantasien über Sexarbeit selbst richten, die das "Denken derjenigen bestimmen, die Sexarbeit verbieten, kontrollieren oder davon profitieren wollen."
Dies gelingt ihr auch in zehn gescheiten Kapiteln. Es ist sicher nichts neues, aber schön im globalen Masstab zu sehen, dass die Prostitutionsdebatte immer ein Spektakel ist. Auch das Feld der ProstitutionsgegnerInnen ist international klar. Es sind Feministinnen, die sich dem linksliberalen Bürgertum zurechnen lassen, die sich als 'echte' Fürsprecherinnen von Prostituierten betrachten, die die Repräsentation über Sexarbeit bestimmen wollen. Hier spricht sie in Anlehnung an Laura Agustin von der sog. "Rettungsindustrie". Das berühmt berüchtigte schwedische Prostitutionsgesetz, dass den Sexkauf verbietet, wird als Sieg des Feminismus gefeiert.
Weltweit gibt es leider die Tendenz gegen die stärkere Einbindung von SexarbeiterInnen in die Regulierung und Gesetzgebung.
Ein Beispiel aus den USA ist interessant, was auch teils deutsche Verhältnisse widerspiegelt: Es gibt Klauseln in Verträgen zwischen Agentur und Escorts, demzufolge Escorts sich verpflichten, keinen Sex mit Kunden zu haben, sondern nur gemeinsame Zeit zu verbringen. Es handelt sich dabei um den Versuch, die rechtliche Verantwortung von der Agentur auf die Arbeiterin abzuwälzen. Nur wenn Prostitution verboten ist, verhindert diese Fiktion einen realistischen und offenen Austausch über den tatsächlichen Inhalt der geleisteten Arbeit. "Wenn die Escorts laut Vertrag gar keinen Sex mit den Kunden haben werden, muss die Geschäftsführung der Agentur mit ihnen auch keine Abmachungen bzgl. der Verhandlungen mit Kunden treffen. Auch müssen sie sich nicht um den Schutz ihrer Arbeiterinnen kümmern und z.B. für Kondome und Gleitgel sorgen. Im Fall einer Razzia oder Verhaftung müssen sie ihren Arbeiterinnen keinerlei rechtlichen Beistand leisten.
Diese Art der Fiktion und der Kontext von Illegalität, der sie hervorbringt, schaffen Risiken und Bedrohungen, die mit Sexarbeit verbunden sind.
Es muss immer wieder betont werden, dass Sexarbeit Arbeit ist. "Die hartnäckige Vorstellung, SexarbeiterInnen sollten nur Anspruch auf Arbeitsrechte haben, wenn sie ihre Arbeit gerne machen und Selbstbewusstsein aus ihr ziehen, geht genau in die verkehrte Richtung."
Es ist ein sehr kluges Buch, das trotz amerikanischen Schwerpunkt nicht nur die gesamte Bandbreite der Arbeit in der Prostitution, die verschiedenen Branchen streift, sondern einen Blick auf die gesamte Diskussion, auf die Berichterstattung in den Medien selbst wirft. Dem Prostitutionsstigma wird aufgrund seiner Wichtigkeit ebenfalls ein eigenes Kapitel gewidmet und zum Schluss auch die soziale Bewegung der Sexarbeiterinnen, die sich im Laufe der letzten 30-40 Jahre weltweit gebildet hat. Es tut gut, zu wissen, dass es da draussen noch Autorinnen wie Grant gibt, denen es gelingt, ein differenziertes und kluges Buch über Sexarbeit zu produzieren.
ein Video von der Autorenlesung in Berlin
https://youtu.be/_nErvl22ReE
Hure spielen: Die Arbeit der Sexarbeit
von Melissa Gira Grant (Autor), Mithu M. Sanyal (Vorwort)
Verlag: Edition Nautilus
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