Manche Menschen wenden sich angewidert ab, weil der Rein-Raus-Sex nicht ihre Geschmacksnerven trifft oder sie sich in keinster Weise mit den Darstellungen identifizieren wollen und können. Diese Akte der Intimität auf der Leinwand oder am Bildschirm werden nicht selten als mechanisch und monoton wahrgenommen. Für viele Menschen braucht es daher, um geil zu werden, Erotik mit 'Stil'. Dabei schlagen die Synapsen bei mir zum Beispiel einfach Alarm, weil mich hemmungsloser Porno ohne Stil einfach anturnt. Warum Hardcore Szenen, ein Blowjob, Deep Throat und Pornos von vielen als Menetekel der Frauenerniedrigung interpretiert werden, leuchtet mir bis zum heutigen Tag nicht ein. Hängt wohl vom Standpunkt des Beobachters oder der Beobachterin ab. Und ich spreche hier nur von heterosexuellem Sex.
Auch die Variationen haben sich in den letzten Jahrzehnten extrem verbreitert. Die Geschichtsschreibung behauptet, dass Pornos nur für die Augentiere Männer gemacht wurden, weil sie die Mehrheit der Porno-Konsumenten bilden. Dabei könnte ich mir vorstellen, dass eher weibliche Rollenvorbilder und Erziehung den Zugang in früheren Zeiten verhindert haben. Und natürlich auch die Produktion.
Aber zum Glück gibt es für alle, die die Vielfalt schätzen, für alle Geschlechter und sexuelle Vorlieben ein grosses Angebot. Zum Beispiel auch feministischen Porno, den sich übrigens auch viele Männer anschauen, soweit mir bekannt. Hier hat sich in den letzten Jahrzehnten doch einiges getan. Der feministische Porno fristet keineswegs ein Nischendasein und findet ein immer grösseres Publikum. Diese Filme zeichnen sich dadurch aus, dass sie kreativ die Sexualität aller Geschlechter darstellen und die aktive Seite von Frauen betonen.
Jedenfalls haben sich Frauen seit den 80er Jahren zunehmend des Themas angenommen: in den USA begann die sex-positive Bewegung in der feministischen Szene. Hier hat der feministische Porno seinen Ausgangspunkt. Eine Ikone dieser Bewegung ist Dr. Annie Sprinkle, eine schillernde Persönlichkeit mit Erfahrungen in vielen Bereichen der Sexarbeit - Prostitution und Porno - und zeitlebens als Sex-Aufklärerin und Künstlerin unterwegs.
Der sogenannte 'sex-positive' Feminismus nämlich - oh weia, das Wortkonstrukt hört sich so unsinnlich an -, war und ist gewissermassen als Gegenbewegung zur Anti-Porno-Bewegung der 80er Jahre zu verstehen. Hier wird die weibliche sexuelle Freiheit und Lust gefeiert. Sämtliche Einschränkungen einvernehmlicher sexueller Praktiken werden abgelehnt. Unter den Anhängerinnen dieser Bewegung gibt es durchaus Frauen, die der Prostitution, also Sexarbeit positiv gegenüber stehen, sofern sich die Spielgefährten mit Respekt begegnen. Sie stehen auch auf der Seite politisch engagierter SexarbeiterInnen und unterstützen ihre Ziele, die vollständige Entkriminalisierung von Sexarbeit voranzutreiben und damit das Stigma zu überwinden. Künstlerinnen wie Annie Sprinkle nutzen dazu verschiedene künstlerische Ausdrucksformen wie die Performance.
Alljährlich finden die Feminist Porn Awards Verleihungen statt. In diesem Jahr sind auch Filme bekannter Sexworker wie Courtney Trouble und Zarah Stardust für den Feministischen Porn Award nominiert. Bekannte Produzentinnen feministischer Pornos sind Petra Joy und Erika Lust. Seit 2009 wird der feministische Pornofilm Preis Europa verliehen, kurz PorYes genannt, eine Berliner Initiative um Dr. Laura Méritt, die im deutschen Sprachraum für ihr Engagement bekannt ist und auch den Internationalen Hurentag am 2. Juni fest in der Szene etablierte. Auch in diesem Jahr findet wieder die Preisverleihung statt, nämlich an diesem Samstag in Berlin.
In den letzten Jahrzehnten hat sich das Genre des feministischen Porno fest etabliert. Interessant an diesem Genre ist, dass man keine genormten Körper sieht, sondern alle sexuelle Ausdrucksformen und Orientierungen gezeigt werden. Die ganze sexuelle Welt wird dargestellt und nicht nur der Ausschnitt einer normierten Heterosexualität in der Endlosschleife von Stellungswechseln.
Wer mehr zum Thema erfahren möchte:
Hier ein Interview mit Erika Lust
http://www.vice.com/de/read/stuff-erika-lust-erobert-feministische-porno Zwei sehr lesenswerte englisch-sprachige Artikel zum Thema kann ich empfehlen:
Petra Joy "The Revolution for Women is happening right now"
http://www.huffingtonpost.co.uk/2013/09/10/porn-film-director-petra-joy-women_n_3898955.html Women Making Pornography
http://www.psychologytomorrowmagazine.com/after-pornified-by-anne-sabo/