Der Roman ‘Im Stein’ von Clemens Meyer ist schwere Kost und führt zu schlechter Verdauung. Kein leichtes, sich hier durchzugraben. Er ist es jedoch wert, in vielerlei Hinsicht gelesen zu werden. Aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven und Stimmen von Personen, die im Rotlicht ihren Geschäften nachgehen.
‘Im Stein’ handelt von der imaginären Stadt Eden, einer Stadt, die überall ist oder sein könnte, auch wenn auf den ersten Blick das Zentrum Leipzig/Halle die Hauptrolle spielt.
Eden City: wo Mörderbanden, V-Männer, Polizisten, Politiker, die Treuhand, manche Staatsanwälte mit Kriminellen deshalb gemeinsame Sache machen, weil die kriminellen Strukturen des organisierten Verbrechens nicht nur innerhalb des Milieus existieren, sondern tief ins Geflecht der Gesellschaft reichen.
ALLE profitieren von der ‚Ordnung‘, der ‚Sauberkeit‘, gerne in Zusammenarbeit mit ‘Ordnungshütern’. Ob es das Wegputzen ‚vergifteter Huren von der Strasse‘ ist, die man vorher mit dem eigenen Stoff aus der Giftküche versorgt hat, die Geldwäsche, die schwarz in weiss verwandelt, die Vergangenheiten sauber wäscht, so sauber wie Persil.
Alles hat Ordnung, alles hat seinen Platz, die Spenden an die Hurengewerkschaft, die keine ist, an die Kirchenblättchen … an die SPD and so on.
Wie über das Unaussprechliche sprechen, schreiben? Bei den ganzen Leichen im Keller einer Geschichte, die das Fundament für Ordnung und Sauberkeit schuf, die Toten, eingebettet in dieser Geschichte oder im Moor.
In einem ungeheuren Chorus aus Stimmen, von Huren und anderen Protagonisten des Gewerbes, in- und ausserhalb des sog. Milieus, die alle ganz tief drinne sind, in der Gesellschaft, im Stein.
Niemand kann, zumindest, wer in dieser Gesellschaft Konsument und Profiteur ist, nach diesem Buch weiter seinen naiven Fantasien anhängen, von denen da oben und wir da unten, weil das nämlich alles zusammengehört.
Ja, die ganze Gesellschaft ist hier in diesem Stein zuhause. Der grosse Fleischmarkt, wie es im Roman heisst, zusammen mit den Fonds, den Aktien, die Anleger, Konsumenten. Alles Profiteure eines im Kern unmenschlichen Systems, dass auf Ausbeutung beruht. Man nennt es Kapitalismus. Und die Ökonomie des Rotlichts funktioniert wie alle anderen Ökonomien eben auch.
‘Im Stein’ ist im Prinzip nicht nur ein Gesellschaftsepos unserer Zeit, sondern auch eine grosse Kriminalgeschichte, nicht nur über die letzten 20 Jahre. Denn der Stein beschreibt auch ein Prinzip, das der akzeptierten Ausbeutung. Darf man das sagen?
Anders, als ich es in mancher Buchbesprechung las, tauchen kaum die ‘sogenannten’ Zuhälter auf, sondern Business People, Geschäftsleute (nicht nur Männer). Bis auf einen, der mit seinen Miezen aus dem Ruhrpott erst Pommes Frites, dann die Mumus gewinnbringend an den Mann verhökert. Im Osten, dem Experimentierlabor der Glücksritter. Obwohl da wenig Zeit für Experimente ist, da werden die Rezepte nur nachgekocht. Hat schon im Westen funktioniert, alles das gleiche vor der Geschichte, Ost wie West.
Kairos, eine kurze Zeit, eine Chance, die sich eröffnet, meinten schon die die alten Griechen, um Entscheidungen zu treffen, politische Weichen zu stellen, abzukassieren, die Grundlagen zu legen, wie der Fleischmarkt funktionieren soll, wohin der Geldfluss gelenkt wird.
Eine Hand wäscht die andere. Die paar Leichen im Keller waren notwendig, damit der Laden „sauber“ bleibt. Das Jasmin, das Kinderbordell, der Sachsensumpf, ein vernachlässigbarer ‘Kollateralschaden’: Wilder Westen eben, damals auf dem Weg zu blühenden Landschaften.
Putzig sind die Einlassungen zum Thema Hurenrechte, ja schreiend komisch. Manager, die Hydra unterstützen, alles unterstützt ’sauberes arbeiten‘. Die Straßenhuren werden von der Strasse ‚geputzt‘.
Am besten vor jedem Haus einen Steuer-Automaten aufstellen. So wie in Bonn oder Zürich am Straßenstrich, mit rotem Schirm als Logo beworben. Juhu, das Symbol der Sex Worker Rechte, als Gütesiegel verkauft oder so, von jenen, die in diesem ganzen Business nichts zu melden haben. Die sich so über Wasser halten oder zu ihrer Stütze etwas hinzu verdienen, einfach unabhängig arbeiten wollen. An die muss man ran.
Die „Zuständigkeiten“ haben sich eben geändert. Also da, wo geschmiert wird. Aber das lässt sich mit den ganzen guten Verbindungen schnell einrenken. Baurecht und so. Alles sauber. Ja, die von privat auf eigene Tasche arbeiten sind den …. äh Behörden ein Dorn im Auge. Und schmeisst doch endlich die dreckigen Einwanderer, also die da, wie Soziologen, Studenten und so sie bezeichnen, die diesen ganzen Migrationshintergrund haben, bäh, die wollen wir hier nicht, den ganzen Dreck raus aus Deutschland. Weg damit von den Strassen, also jene, die gar keine Chance haben, in den Clubs zu arbeiten, in den sauberen Bordellen, weg damit, dann gehen auch die Preise wieder hoch, bei den deutschen Huren. Hurra!
Die Engel, die auftauchen, das sind die Höllenengel, die Engel GMBH, der CEO hinter den Spiegeln. Das scheinen nicht nur Motorradliebhaber zu sein, die alles im trockenen haben. Der Höllenfürst hat eine ganze Armee gefallener Engel um sich versammelt, die als Teufel regieren.
Wir lernen: es kann keine Trennung zwischen Gut und Böse geben. Auf die ‘gute’ Seite, auf die man sich mit gutem Gewissen schlagen kann, so wie wenn man vegan isst und nachhaltig shoppt: Fair Trade genannt , auch wenn das einem manche Köche … äh Kirchenfürstinnen weiss machen wollen, es ist alles grau, gemixt, wie das Geflecht von Herrn Meyer. Bezugsquelle: