Heute ist mein letzter Tag in London. Ich bin heute Londonbus gefahren und war in Westminster Abbey zum Königsgräber besichtigen. Die wollen da jetzt 20 Pfund Eintritt. Am Trafalgar Square sind die Ampelmännchen durch genderqueere LGBT-Symbolen ausgetauscht. Das bedeutet aber auch hier nur sichtbare Toleranz in engen Bahnen.

 

Meine Kollegin war heute zu ihrer Routineuntersuchung in einer Londoner Spezialambulanz für Sexworker. Die machen da kostenlos einen Volltest und auf Wunsch eine Beratung. Diese Ambulanz ist in Earl's Court.

 

Gestern hatte ich meiner Kollegin von dem Typen von neulich erzählt von dem ich nicht sehr angetan war. Das hat mich so blockiert, dass ich gerade in einer kleinen Umbruchsphase bin. Wenn irgendwas nicht so läuft gebe ich mir manchmal selbst die Schuld. Ich weiß, dass das falsch ist. Ich habe sie dann gefragt, ob der mich schlecht behandelt hat, weil ich eine intersexuelle Frau bin, ob ich vielleicht doch für Briten zu wenig stereotyp sei. Dieses Detail wusste sie vorher von mir nicht. Sie meinte sofort: NEIN auf keinen Fall. Ich sei gut. Manche Typen seien schlimm, man kann nur versuchen mit dem Preis zu sieben und vielleicht verkaufe ich mich zu günstig, meint sie. Ich könnte mehr nehmen. Dann kommen so Idioten gar nicht erst. Im Endeffekt soll man sich aber gar nicht aufregen: "because there are plenty of clients for me." Trotzdem gelte: jede kann mal Pech haben.

 

Bei einer Kollegin, der unser Appartement untervermietet wurde kam einer ohne Geld. Die hatte dann auch kein Geld für die Miete. Die wurde ihr dann erlassen. Ich bin hier übrigens privat. Zahle keine Miete. Bin ihr Gast. Meine Freundin wohnt hier ganz normal. Scheinbar ist aber Prostitution in diesem Haus vom Landlord, d. h. Vermieter, geduldet.

 

Gestern habe ich festgestellt, dass es hier noch mehr Sexworker gibt. Wir befinden uns aber in keinen Bordell. Die sind im Vereinigten Königreich verboten. Hier wohnen viele unterschiedliche Leute. Auch Männer. Ein "Client" hat mir erzählt, dass er mal in Amsterdam in einem Laufhaus war. Er fand das nicht gut und findet es besser, dass das hier verboten ist.

 

Zum Thema Intersex meinte meine Kollegin dann, dass sie es an meiner Stelle in ihr Profil schreiben würde. Ich habe sie auch gefragt ob sie findet, dass ich irgendwie anders bin oder so, aber sie meinte: Nein. Bestimmt gäbe es Leute, die dann zwar doofe Fragen stellen, aber dass ich kein Transgender bin sähe man doch. Es sei für das Marketing gut ebendieses Mosaikstückchen öffentlich zu machen. Es macht mich interessanter und schreckt Idioten ab. Sozusagen ein Filter. Hoffe sie hat recht.

 

Sie hat mr aber noch mehr gute Tipps gegeben...

 

Heute war ich dann als ich nichts zu tun hatte in Kensington Gardens spazieren und habe darüber nachgedacht was sie mir vorgeschlagen hat. Nach und nach habe ich bei dem Spaziergang mein Profil verändert.

 

Und mir noch etwas überlegt: Kensington Gardens war bestimmt das Vorbild für den Phantasiepark in Mary Poppins. Kensington Gardens gehört der Queen. Fahrradfahren ist verboten. Alles ist sehr gepflegt. Die Tiere in diesem Garten, Gänse, Schwäne, Eichhörnchen, alle fast zahm, haben ein schönes Dasein hier.

 

Vormittags habe ich wieder English Breakfast gegessen. In dem Bistro war auch eine Deutsche, sie ist sofort negativ aufgefallen, als sie anfing darauf zu bestehen mit Kreditkarte zu bezahlen, was hier nicht möglich war, dann beschwerte sie sich, weil sie mit dem Euro-Wechselkurs nicht zufrieden war, der ihr vom Bistropersonal diktiert wurde. Es ging nur um Stellen nach dem Komma.

 

Dann hat sich ein Deutscher bei mir gemeldet der mich buchen wollte. Man konnte ihn schon an seiner Unfreundlichkeit als deutsch erkennen. Warum sind Deutsche eigentlich zu allen, die sie als fremd und anders empfinden pampig? Briten sind da etwas entspannter.

 

Der Deutsche fing dann an echt unverschämt zu werden, weil er mir wohl nicht glaubte, dass meine Bilder mich zeigen und er nur die von den Fotos will. Da ging es noch nur um meine Qualitäten als Sexworkerin. Dann habe ich ihm noch zwei Links gegeben: zu Kaufmich und zu einem Vorstellungsvideo. Da hatte ich schon in Kaufmich das mit dem intersexuell eingefügt. Klar, dass er sich dann endgültig als Knalltüte outen musste. Er fing dann so an: "das" sei nix für ihn. Schade für ihn, dass seine Homophobie eine Frau, nämlich mich, betrifft.

 

Trotzdem wurde ich wiedermal traurig. Weil mich aufregt dass so Typen nicht selbstbewusst sind, sondern Vorurteile und Verwechslungen zu meinem Nachteil in sich tragen. Das gehört scheinbar für viele zum guten Ton: so 'ne art Frauenrassismus. Man darf scheinbar in Deutschland Frauen wie mich abwerten, weil ich in ihren Augen keine "normale" Frau bin. Was bilden sich so Typen eigentlich ein? Manche schreiben das sogar in Freierforen. Wenn ich nix dazu sagen würde hätte ich vielleicht weniger Theater.

 

Aber ich bleibe in einer schwachen voremanzipierten Situation gefangen. Wenn ich sowas Leuten erzähle die mich kennen sagen die oft, das seien die falschen Männer und Kreise für mich. Sie haben Angst, dass ich mich wegwerfe. Diese Leute sind es nicht wert. Ich war sogar schonmal bei Ärzten und hab gefragt ob ich irgendwelche Schönheits-OP's machen müsste oder ob ich tatsächlich irgendwie unweiblich sei oder so? Die haben dann gesagt, dass an mir alles gut ist. Diese Leute hätten ein Problem mit sich. Das was ich habe sei sogar eine Überweiblichkeit, weil ich trotz XY eine Frau bin. Und das wollte die Natur in meinem Fall so. Aber es verletzt mich leider. Irgendwie muss ich es schaffen, aus dem negativen, was mir teilweise entgegen geworfen wird etwas positives zu machen. Ich möchte gerne nahbar sein, sonst ist auch Sex unmöglich, dazu muss ich mich öffnen.

 

Written by Gastautor


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