Vom 8. - 10. August fand in Hamburg eine englisch-sprachige Konferenz statt, die den Titel trug "Fantasies that matter. Images of sexwork in media and Art". Auf gut Deutsch: Fantasien, die eine Rolle spielen. Bilder von Sexarbeit in Medien und Kunst. Diese Konferenz fand in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Sommerfestival Kampnagel statt und dem Missy Magazin. Ein Vorab-Interview mit einer der Herausgeberinnen war dazu im Spiegel zu lesen.

 

Bei der Konferenz ging es also im wesentlichen um die Entstehung von Bildern, die die öffentliche Debatte beherrschen, um Bilder, die in unserem Bewusstein mit dem Thema Prostitution/Sexarbeit verbunden sind. In dieser öffentlichen Wahrnehmung spielen Sexarbeiterinnen selbst keine oder eine geringe Rolle, sie werden meist von der Diskussion ausgeschlossen. Sie bleiben stigmatisiert und eine schweigende Gruppe, deren Interessen und Ansichten in der Öffentlichkeit kaum auf offene Ohren stossen. Zum Thema 'Huren-Stigma' hielt die Psychologin Gail Pheterson aus Paris einen Vortrag, die sich mit dem gleichnamigen Buch international seit den 80er Jahren einen Namen machte. Das Huren-Stigma ist eines der mächtigsten Werkzeuge, um Frauen gesellschaftlich zu kontrollieren.

 

Worum ging es also? In der Konferenz ging es vor allem darum, jenseits politischer und moralischer Fragen, wie mit Sexarbeit umgegangen werden soll, darauf aufmerksam zu machen, inwieweit Bilder, Projektionen, Fantasien und Mythen das Thema Prostitution, also Sexarbeit bestimmen. Als Mittel wählten die Organisatoren Vorträge von Künstlerinnen und Akademikern sowie Kunst - Film und Life-Performances. Und ja, SexarbeiterInnen waren ebenfalls vor Ort und mischten sich aktiv in die Diskussionen ein.

 

Zu Gast war zum Beispiel Carol Leigh aus den Vereinigten Staaten, die den Begriff Sexarbeit in den 80er Jahren erfand und in die Debatte einführte. IMG_1960kSie selbst hat auch über lange Jahre als Sexarbeiterin in verschiedenster Form gearbeitet, auch künstlerisch. Sie präsentierte uns einen Film mit dem aus dem englischen übersetzten Titel: Kollateral-Schaden - SexarbeiterInnen und Anti-Menschenhandels-Kampagnen. Der Film zeigt, wie BILDER über Menschenhandel eine besonders hervorgehobene Rolle in Anti-Menschenhandels-Kampagnen spielen, die sowohl die Rechtsprechung als auch gesellschaftliche Diskussionen zum Thema beeinflussen. Die Bilder sind Anstoss und Reaktion zugleich und verleiten zu unterdrückenden und kontraproduktiven Rettungs-Strategien. Was ist damit gemeint? Man muss die Anti-Menschenhandels-Debatte im globalen Masstab betrachten. Hier zeigt sich, dass Gegner des Menschenhandels nicht selten in ihrem Kampf Sexarbeiterinnen retten wollen, obwohl sie weder Opfer von Menschenhandel noch davon bedroht sind. In der Realität werden Sexarbeiterinnen Ziel von Menschenhandels-Gegnern und zu Opfern "gemacht". Diese Praxis hat eine lange Tradition und kann in den USA 100 Jahre zurückdatiert werden, als die sogenannte "weisse Sklaverei" Schlagzeilen machte. Das Thema ist sehr kompliziert und wird heutzutage sehr kontrovers diskutiert. Zuletzt in den von Alice Schwarzer und Prostitutionsgegnern angetriebenen Debatten. In diesem Zusammenhang sei auch die Rednerin Laura Agustin zu erwähnen, die von NGO's, also Nichtregierungs-Organisationen sogar von einer Rettungs-Industrie (rescue industry) spricht. Ihr Vortrag lautete übersetzt: 'Disqualifiziert: warum SexarbeiterInnen den sozialen Tod erleiden' und zeigte, wie die Repräsentation über Frauen in der Sexindustrie sie als Opfer darstellt und ihnen ihre Rechte nimmt.

 

Eine andere Ausdrucksform ist die künstlerische Performance, also Vorführung. Hier hatte Sexarbeiterin Liad das Publikum in einer 2-stündigen Installation in ihren Bann gezogen. 'Watch me work' - also 'schau mir bei der Arbeit zu' war der Titel ihrer Performance, wo sie life webcam-sex mit ihren Kunden darbot und Fragen des Publikums beantwortete. In folgendem Radiobeitrag wird sie und die Konferenz erwähnt. Hier kann man sich die Performance anschauen.

 

IMG_1956kEine andere Performerin und Rednerin war Annie Sprinkle aus San Francisco, die selbst über 22 Jahre als Prostituierte arbeitete und u.a. eine besondere Darbietung bot: ein Titi-Ballet. Zu Walzer-Klängen holte sie ihre nackten Brüste heraus und spielte mit ihnen. Mit dieser Darbietung wurde sie schon vor 30 Jahren im Schmidt Theater auf dem Hamburger Kiez berühmt!

 

Viele AkademikerInnen kamen zu Wort, Kulturwissenschaftlerinnen, Psychologinnen und Juristinnen, aber auch ein Sozialarbeiter und einige Sexworker selbst auf dem Podium.

 

IMG_1966kAls einzige Deutsche sprach Sexarbeiterin Undine, die in Hamburg ein BDSM-Studio betreibt und Pressesprecherin des BesD (Bundesverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen Deutschland) ist. Sie wies u.a. auf eine Konferenz im September hin, die vom BesD, in Kooperation mit Partnern wie dem BufaS (Bündnis der Fachberatungsstellen für SexarbeiterInnen) in Berlin veranstaltet und von Kaufmich noch gesondert hier im Magazin angekündigt wird.

 

Unter dem Hashtag #fantasiesthatmatter kann man der Berichterstattung von Teilnehmern der Konferenz, auch Sexarbeiterinnen, auf Twitter folgen.

 

Written by Ariane G.


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