Es sind nicht nur Sexworker aus Europa, die erzählen, sondern aus vielen Ländern der Welt, z.B. aus Südamerika. Sie berichten über ihre Erfahrungen, mit Kunden, Polizei, Arbeitsbedingungen, über ihre Zukunft, ihre Träume, wie sie zu Sexarbeit gekommen sind, warum ihnen ihre Arbeit gefällt und welche miesen Erfahrungen sie gemacht haben. Darüber zu sprechen ist ja meist ein Tabu. Sie alle arbeiten in Amsterdam, Genua, Hamburg, Helsinki, Madrid, Marseille, Porto, Sofia und Wien. Mit Indoor ist der bevorzugte Arbeitsort gemeint, also wenn man hauptsächlich in der Wohnung, Bordell, Club Kunden empfängt.
Als Escort war mir bislang nur der englische Szenebegriff, den man für eigene Werbung verwendet, nämlich Incall vertraut.
Im Buch kommen auch tourende Escorts zu Wort, also die modernen Wanderhuren unserer Zeit, die sich kreuz und quer durch Europa bewegen. Es kommen am Schluss auch noch ein paar andere Stimmen zu Wort, z.B. von einem Kunden, der sich zu Recht über die Diskriminierung von Kunden aufregt und über das öffentliche Bild als “Freier”. Ja, auch Kunden haben keine Lobby und so fällt es ihnen aus den gleichen Gründen wie den meisten Escorts schwer, öffentlich Gesicht zu zeigen und sich gegen ihre Kriminalisierung zu wehren, nichts anderes ist ja das Schwedische Modell, das in Kampagnen alle europäische Länder überzieht und den Sexkauf verbietet.
Es ist zwar eine englischsprachige Veröffentlichung, aber die kurzen Statements zu den unterschiedlichen Themen sind relativ einfach zu verstehen oder man schlägt kurz in dem ein oder anderen Online-Wörterbuch nach. Herausgeber des Buches ist das europäische “Indoors”-Projekt von TAMPEP, ein europäisches Netzwerk, das 1993 gegründet wurde und aus Organisationen besteht, die Beratung für Sexworker bieten und sich für ihre Interessen engagieren.
Ich habe einfach mal einige Stimmen ins Deutsche übersetzt:
"Wir sind Sexarbeiterinnen während unserer Arbeitszeit, Damen nach getaner Arbeit, zu Hause Mütter und Ehefrauen, und Huren, wenn wir mit unseren Partnern im Bett sind." Heidi Rueda, Sexarbeiterin aus Ecuador, Aktivistin, Madrid
"Ich bin seit mehr als zwei Jahren in Holland. Ich lebe mit einem Niederländer zusammen und halte mich legal im Land auf. Meine Familie zuhause weiss nicht, was ich hier mache. Ich suche Arbeit anderswo, aber es ist schwierig. Meine Familie ist auf meine Hilfe angewiesen und ich kann meinen niederländischen Partner nicht um Geld bitten. Er versteht nicht, dass ich meine Familie finanziell unterstützen muss. Er hat eine andere Denkweise in Bezug auf Familie und Beziehungen zu Verwandten…" kolumbianische Sexarbeiterin, Amsterdam
"Ich finde die Arbeit psychologisch und körperlich sehr schwer und dass Sexarbeiterinnen häufig abgelehnt werden und isoliert sind. Aber für mich ist es eine Entscheidung. Selbst wenn ich den Kunden nicht will, spiele ich das Spiel mit." französische Sexarbeiterin, Marseille
"Ich gehe zu einem rumänischen Arzt … ich kann ihm leichter von meinen gesundheitlichen Problemen berichten ... oh, nein, wirklich, ich bin mit ihm zufrieden, ich möchte nicht zu einem spanischen Arzt gehen. Warum? Weil sie mich fragen, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene … und ich nicht darüber sprechen möchte." Rumänische Sexarbeiterin, Madrid
"Es stand das Wort meines Angreifers gegen meins. Raten Sie mal, wem die Polizei glaubte! Wie sieht es mit dem Schutz einer armen gequälten Hure aus?" Sexarbeiterin, Spanien
"Ich dachte, ich würde beschützt, wo doch der Medien-Hype uns alle als Opfer bezeichnet. Ich wurde angegriffen, die Polizei nahm die Anzeige nicht auf." Sexarbeiterin, Spanien
"Kennst du diesen Anwalt B.? Er ist sehr schlecht. Ich habe ihm schon 500€ gegeben, aber er hat bislang nichts für mich gemacht!" Thailändische Sexarbeiterin, Hamburg
"Ich lebe in Italien, aber ich arbeite in Chiasso in der Schweiz, wo ich bei der Kontrollbehörde Prostitution registriert bin. Ich arbeite legal und ich zahle die erforderlichen Steuern, welche nicht hoch sind. Ich habe einen Arzt, der mich regelmässig untersucht und ich mache Termine, wann immer ich will. Niemand ist verpflichtet, sich regelmässiger Untersuchungen zu unterziehen, aber es ist am besten, es so zu tun. Übrigens: die Untersuchungen sind kostenlos." Argentinische Sexarbeiterin, Genua
"Weil viele Männer immer neue Frauen sehen wollen, ist es besser, nicht zu lange am gleichen Ort zu bleiben. Ich verdiene viel mehr, wenn ich mich nur kurz in verschiedenen Städten aufhalte." Ungarische Sexarbeiterin, Hamburg
"Ich fühle mich wie ein Zugvogel. Im Sommer reise ich ans Meer, im Winter in die Berge. Schon seit vier Jahren lebe ich so, Saison für Saison." Bulgarin, in einer Strip Bar in Borovets (Ski Ressort nahe Sofia)
"Ich komme sehr häufig nach Helsinki, manchmal nur für einen Tag, aber manchmal, wenn ich einen preiswerten Ort finde, bleibe ich für einige Tage. Glücklicherweise sind die Reisekosten sehr gering, so dass ich Geld nach Abzug aller Ausgaben verdiene, aber nur, wenn ich genügend Kunden finde … nach Helsinki zu kommen ist eine Entscheidung, weil mich die Menschen hier nicht kennen und das Risiko, auf jemanden zu treffen, den ich kenne, sehr gering ist." Estländische Sexarbeiterin, Helsinki