Ein Beitrag von Escort Nazan Mit quietschenden Reifen fährt er los. Ohne ein "Ich liebe dich", mit nicht einmal einem "Bis später". Meine Absätze klacken auf dem nassen Asphalt, während ich zur Haustür laufe, hinter der der Kunde mich erwartet.

 

Er scheint sauer auf mich zu sein. Mal wieder. Aber er sagt nichts, er lächelt bloß. Und ich kann ihm das nicht einmal übel nehmen.

 

Ich läute an der abgemachten Hausnummer, unter abgemachtem Namen. Den Kunden kenne ich seit letzter Woche. Heute treffen wir uns zum dritten Mal. Das ist auch überhaupt der Grund, dass ich einem Hausbesuch zugestimmt habe. Eigentlich haben wir abgemacht, dass ich das nicht anbiete - höchstens bei Sympathie. Und sympathisch ist der Kunde ja. Witzig, gutaussehend und gepflegt auch. Er entspricht dem Bild von Mann, den ich in meinen Anzeigen beschrieben habe. Also stimmt doch alles?!

 

Es klingelt kurz, ich ziehe meinen Finger ruckartig, fast verschreckt zurück. Ich höre zuerst mein Herz klopfen, dann einen Schlüssel hinter der massiven Tür. Während das Adrenalin durch jede Faser meines Körpers schießt, frage ich mich, wieso ich dermaßen aufgeregt bin. Das ist ja schließlich nicht mein erstes mal.

 

Die Tür öffnet sich langsam und im Halbdunkeln sehe ich seine Silhouette stehen. Ein kurzes "Hallo" durchbricht die Stille. Seine rauchige, tiefe Stimme verwandelt den Adrenalinstoß in meinem Bauch in unzählige kleine Schmetterlinge.

 

Oh nein. Bitte nicht.

 

Ich lächle ihn an und frage ein bisschen provokant, ob ich denn hinein kommen dürfte. Ich laufe an ihm vorbei, hinein in seine Wohnung und spüre förmlich, wie er mich mit seinen Blicken auszieht. Zuerst mein Haarband, dann mein kleines Schwarzes, dann meine Unterwäsche, bis ich schließlich nur noch in meinen Strapsen und Highheels dastehe. Allein der Gedanke daran, dass seine Hände mir auch die letzten Kleidungsstücke vom Körper reißen, lässt mich verrückt werden. Ich zittere vor Erregung. Eine einzige seiner Berührungen würde mich zum Kommen bringen. Also setze ich mein Pokerface auf, denn meine Fantasie spielt mir offensichtlich einen Streich.

 

Auf die Frage, ob er verheiratet sei, dreht er verneinend seinen Kopf weg. Dabei ist es offensichtlich. Eine stilvolle Einrichtung, Blumenvasen und Tischdecken aus Spitze verraten die Anwesenheit einer Frau in seinem Leben. Wieso mir das auffällt? Ich weiß es nicht. Ich kam hier an, um zu arbeiten. Aber nun stehe ich hier im Kerzenschein und Vanilleduft, während der Raum von einem Gefühl der Entspannung und Ruhe erfüllt wird.

 

Ohne viel zu reden zieht er mich aus, in genau der Reihenfolge, die ich vorher vor meinem inneren Auge gesehen habe. Nicht einmal mein Honorar konnte ich mir im Voraus geben lassen, als er anfing, zärtlich meinen Hals, und dann meine Brüste zu küssen.

 

Leidenschaft.

 

Er hat mir eine unbekannte Seite meiner Selbst offenbart, die ich bis dato nicht kannte.

 

Ich ziehe mich wieder an. Er beobachtet mich auf eine besitzergreifende Art. Die Art, auf die ein Löwe eine Gazelle beobachtet. Ob mich das stört? Ja. Ob es mich bei ihm stört? Nein.

 

Ich nehme das Geld. Es fühlt sich diesmal anders an. Ich will es nicht haben.

 

Aber ich nehme es, lächele verlegen und drehe mich um. Seine Blicke folgen mir erneut.

 

Hinter mir fällt die Tür zu. Das einzige, was man in der nächtlichen Stille hört, ist das Klacken meiner Absätze.

 

Er wollte mich abholen. Er sollte mich abholen. Er hat es nicht gesagt, aber bis jetzt war es immer so. Ich zünde mir eine Zigarette an, um die Zeit tot zu schlagen. Seltsame Gedanken schießen mir durch den Kopf. Ich sehe sein Gesicht, dann sehe ich das Gesicht des Kunden. Sie sehen sich ziemlich ähnlich.

 

Quietschende Reifen. Er kommt.

 

Er fährt langsam vor, bleibt stehen und öffnet von innen die Beifahrertür. Sein Blick ist leer und er hat getrunken.

 

Normalerweise zittere ich vor Erregung.

 

Aber diesmal nicht mehr.

 

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