Wir starten hier mit einer 4-teiligen Serie über die Zukunft der Sexarbeit und der Frage, inwieweit das Diskretionsversprechen der Sex Branche in Zukunft noch wirksam sein kann und soll.
Viele Sexworker wollen sich durch eine Anzeige bei der Polizei nicht als Prostituierte outen, weil Prostitution als Beruf extrem stigmatisiert ist. In vielen Köpfen herrscht noch die Vorstellung, dass die Vergewaltigung einer Prostituierten keine Straftat ist, weil sie als Mensch 3. Klasse betrachtet wird. Dies wiederum bestärkt Täter in ihrem anonymen Handeln. Die Ursachen des Prostitutionsstigmas liegen im Sexualstigma und im Tabuthema Geld begründet: es wird nicht öffentlich über Sex geredet und Geld wechselt in reproduktionsloser Absicht den Besitzer. Sexualität ist gesellschaftlich noch immer an ein Monogamie-Gebot geknüpft, die Versorger-Ehe immer noch gelebtes Rollenmodell und die Erwartung an Frauen, die Nachkommenschaft zu sichern. Und das bedeutet die Existenzgrundlage eines jeden Staates. In diesem Zusammenhang muß man das Prostitutionsstigma betrachten und warum Sexarbeit allgemein eben nicht als normaler Beruf betrachtet wird. Das Hurenstigma wird in einer patriarchalen Gesellschaft von Bürger:innen als Mittel eingesetzt, sexuell aktive Frauen als Schlampe und abfällig als Nutte zu bezeichnen. Solche Frauen werden damit moralisch in ihre Schranken verwiesen. Die Herabsetzung und Herabwürdigung erinnert sie daran, dass für ein aktives Sexleben als Frau keine Anerkennung zu erwarten ist. Ein Mann erfüllt hingegen dazu seine ihm zugeschriebene "normale" Rolle, wenn er Sex mit wechselnden Sexualpartner:innen hat.
In Situationen, wo man Kunden nicht ablehnen kann, ist das Risiko höher, auf übergriffige, Tabu verletzende, sprich grenzüberschreitende Kunden zu treffen, die ein NEIN nicht respektieren. Ein Kundenscreening vor einem Date, selbst am Strassenstrich, schützt nicht vor Überraschungsmomenten mit einem Kunden. Wenn man allerdings alle Daten des Kunden hat (am Strassenstrich die Weitergabe des Autokennzeichens an Kolleginnen), die Telefonnummer und den Klarnamen (wie es beim Kundenscreening durch Escorts in den USA aufgrund der Kriminalisierung lange üblich ist), kann man in Deutschland im Notfall Hilfe rufen und eine Anzeige erstatten, weil man alle Daten vorrätig hat.
In einem Bordell, wo üblicherweise keinerlei Aufzeichnung der Kundendaten (außer im Corona Betrieb) erfolgt, ist die Chance für Täter groß, unerkannt zu entkommen. Denn auch die Security ist nicht immer präsent.
Es geht vor allem auch um die Sicherheit verletzlicher Sexworker und ihren Persönlichkeitsrechten. Und zwar im Sinne, dass Sexarbeit für die meisten Sexworker nun einmal eine verletzliche Situation darstellt. Im Prinzip handelt es sich um ein Machtgefälle, wenn Kunden die Kriterien festlegen können, unter welchen Bedingungen Sexarbeit stattfindet und sie die Regeln diktieren können. Anonymität und Datenschutz kann also auch eine reine Schutzbehauptung sein, die vor Strafverfolgung schützt.
Die Verletzlichkeit sinkt natürlich in Abhängigkeit vom angebotenen Service: eine unberührbare Domina kann ihre Sklaven problemlos auf Distanz und unter Kontrolle halten. Eine Sklavia kann in einem SM-Studio hoffen, im Notfall Hilfe zu erhalten. Dies ist auch der Grund, warum devote Sklavias im Regelfall in geschützten Räumen eines Studios arbeiten, auch in Gegenwart einer Domina. Aber auch dort besteht ein Restrisiko, wenn man mit dem Kunden allein ist, ein einvernehmliches Spiel kippt und Grenzen gegen den ausdrücklichen Willen überschritten und man gegen die S-S-C-Regel verstößt.
Was wiegt schwerer? Was ist Euch wichtiger? Diskretion oder Sicherheit?
Diese Frage möchten wir Euch, der Kaufmich Community stellen, und mit Euch das schöne Thema "Diskretion" diskutieren. Wie kann Sexarbeit im 21. Jahrhundert, die Sexarbeit der Zukunft aussehen? Schreibt Eure Meinung in den Kommentarteil und diskutiert mit!