Dies hat Dona Carmen nun getan. Das Buch bietet einen Überblick über die Etappen der Entstehung des Prostituiertenschutzgesetzes, erklärt, warum Kritik und der Widerstand nicht erfolgreich waren. Es zeigt auf, warum das Gesetz Sexarbeiter*innen nicht schützt.
Tatsächlich unterlaufen eine gesundheitliche Zwangsberatung, die Anmeldepflicht („Hurenpass“), die Kondompflicht und die Erlaubnispflicht für das Prostitutionsgewerbe den Schutzgedanken.
Prostituiertenschutzgesetz: eine unrühmliche Tradition von Repression und Kontrolle In einem historischen Exkurs steht das Gesetz in einer Traditionslinie von Kontrollmassnahmen im Nationalsozialismus. Gemeinsamer Nenner ist es, Prostituierte zu überwachen. Registrierung und Kontrolle der Sexarbeiter*innen und des Prostitutionsgewerbes in Deutschland ist nämlich auch das Ziel des seit 2 Jahren wirksamen Prostituiertenschutzgesetzes.
Schon im April 2014 hatte der Verein Dona Carmen einen eigenen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse in der Prostitution vorgelegt. Auch vor Verabschiedung des Gesetzes 2017 kündigte Dona Carmen eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an. Dazu gab es bundesweite Treffen zur Vorbereitung einer Verfassungsklage. Wir berichteten im Kaufmich Magazin über die Verfassungsklage.
Die 2017 eingereichte Verfassungsklage wurde schließlich 2018 durch das Bundesverfassungsgericht abgelehnt. Daraufhin mobilisierte Dona Carmen erneut, um vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu klagen. Das Verfahren ist noch anhängig.
„Es scheint wie ein Treppenwitz der Geschichte: Waren in den 90er Jahren lediglich die Prostitutionsmigrantinnen hierzulande (aufenthaltsrechtlich) illegal, so treibt das neue Gesetz nunmehr auch deutsche Sexarbeiter*innen in die Illegalität.“Auch die Konzessionierung der Prostitutionsstätten hat zur Folge, daß Prostituierte vielfach gezwungen sind, allein und isoliert zu arbeiten. Denn viele Bordelle müssen schließen. Gute und sichere Arbeitsplätze fallen weg. Dies macht Sexarbeiter*innen verletzlicher, auch weil so der Zugang für Hilfsangebote erschwert ist und im Falle von Gewalt, Stalking, Erpressung, Zwangsouting das Anzeigeverhalten sinkt. Das Gesetz verkehrt sich also in sein Gegenteil. Es macht die Sexarbeitenden verletzlicher und bietet somit keinen Schutz. Hier wird eine ganze Berufsgruppe systematisch stigmatisiert und rechtlos gestellt. Was Sexarbeitende aber brauchen, ist der Schutz ihrer Grundrechte und die Abschaffung der bestehenden Diskriminierung im Ordnungsrecht, im Baurecht und im Polizeirecht. Sonst wird es eine gesellschaftliche Wertschätzung und Respekt für Sexarbeitende niemals geben. Das Stigma muß weg, das Sexarbeitende in ein Doppelleben zwingt.
„Denn eine Reglementierung von Prostitution dient stets als Negativfolie für die soziale Disziplinierung von Frauen der Mehrheitsgesellschaft. (…) Frauen, die nicht bereit sind, sich im Rahmen serieller Monogamie der Kontrolle ihrer Gebärfähigkeit und dem Imperativ hinreichender sexueller Reproduktion zu unterwerfen und die es mit ihrer sexuellen Freizügigkeit möglicherweise „übertreiben“, haben mit einer gesellschaftlichen Ächtung zu rechnen („Schlampe“).“Slutshaming ist für viele Frauen und Mädchen bereits Alltag, wenn sie mit ihrem Verhalten und Auftreten im Bezug auf Sexualität widersprechen. Promiskes Verhalten wird gesellschaftlich bestraft. Dies betrifft sexuell provokativ wahrgenommene Kleidung, die Nachfrage nach Empfängnisverhütung, vorehelicher Sex und eben Prostitution. In sogenannten „Slutwalks“ machen Frauen weltweit darauf aufmerksam. Denn letztlich geht es bei einer Prostitutionsgesetzgebung immer auch um die Disziplinierung aller Frauen.
Es lohnt sich wirklich, sich den alternativen Gesetzentwurf von Dona Carmen vor Augen zu führen und als Community gemeinsam für die Rechte von Sexarbeitenden zu streiten. Denn auch die lieben Kunden sind davon betroffen, nicht nur durch die Einführung einer Kondompflicht.
Das Schwedische Modell ist nämlich schon bei deutschen Politikern aus SPD und CDU im Gespräch. Das bedeutet die Absicht, einen Rückgang der Nachfrage nach Prostitution durch ein Verbot von Sexkauf zu erreichen. Kunden werden einseitig kriminalisiert, aber in der Praxis trifft es auch die Sexarbeitenden gewaltig.
Das Modell gilt per Gesetz schon in 6 europäischen Ländern sowie Israel und Kanada und findet immer mehr Nachahmer. Also denkt daran: seid solidarisch und unterstützt die Sexworker Vereine und Verbände, die für die Rechte aller streiten.
1. Auflage: August 2019, ISBN 978-3-932246-95-1,
648 Seiten, Preis 19,90 €