In unserer Reihe der Escort Interviews haben wir diesmal ein Interview mit einem TG-Girl der besonderen Art geführt: Visual_Pleasure hat uns diesmal Rede und Antwort gestanden. Habt auch Ihr Lust auf ein ausführliches Interview im Magazin? Dann schreibt uns bitte an [email protected]  

 

Was hältst Du von dem Ausdruck „Taschengeld“? Im Zusammenhang mit Sexarbeit: gar nichts! Denn unsere Stundensätze sind deutlicher höher als das Taschengeld, das Kinder und Jugendliche pro Stunde zur Verfügung haben. Und das Monatseinkommen der meisten von uns ist höher als der Betrag, den eine fordistische Hausfrau – unter Vernachlässigung ihrer juristischen Unterhaltsansprüche – noch in den 1970er und 80er Jahren als „Taschengeld“ von ihrem „Familienernährer“ üblicherweise zugebilligt wurde.

 

Warum nennst Du Dich trotzdem „TG-Girl“? Weil sich mein Umsatz und zumal mein Gewinn als Sexarbeiterin eher im – noch niedrigeren – „Trinkgeld“- als im „Taschengeld“-Bereich bewegt, was zugleich auch darauf verweist, dass ich sogar ein Doppel-TG-Girl bin.

 

Das zweite „TG“ steht dabei für „transgender“. Allein schon mit meinem Verhältnis von Anatomie und Geschlechtsidentität und zumal den sehr eigensinnigen Services, die ich ausschließlich anbiete, bin ich dermaßen offensichtlich vom Mainstream-Geschmack entfernt, dass nicht überraschen wird, wenn ich sage, dass das, was ich hier mache, eher Sexualdidaktik oder Sexualpolitik mit kleiner finanzieller Anerkennung („Trinkgeld“), als ein Job ist. – Ob das eine besonders effektive didaktische oder politische Strategie ist, sei mal dahingestellt… Du sprichst von „Sexualdidaktik oder Sexualpolitik“. Haben die Services, die Du anbietest, also so etwas wie eine „Botschaft“? Ja, ich würde schon sagen – und die Botschaft ist: „Es gibt Sex auch ohne Penisse. Und Dildos sind nicht ein (schlechter) Ersatz für Schwänze, sondern sexarbeiterin kann sogar einen Schwanz haben und trotzdem Sex mit Dildos oder jedenfalls ohne Schwanzeinsatz vorziehen.“ – Klar, dass das nicht nur für den Durchschnittskunden, sondern auch für die etwas unkonventionelleren Kunden ein verstörender – und in der Regel: abschreckender – Gedanke ist.

 

Was ist für Dich das Beste an Sexarbeit im Allgemeinen oder Deiner Sexarbeit im Besonderen? Ich würde sagen: Die Kolleginnen, die ich dadurch kennengelernt habe – und zwar sowohl hinsichtlich der Hilfe beim Einstieg in diesen Job, der für mich gar nicht so richtig ein Job geworden ist, als auch hinsichtlich meines Bildes von Sexarbeiterinnen.

 

Inwiefern hat sich Dein Bild dadurch geändert? Vielleicht sollte ich nicht sagen „geändert“, sondern „konkretisiert“: Abstrakt war mir auch vorher klar, dass auch Frauen aus meinem engsten sozialen und kulturellen Umfeld Sexarbeiterinnen sein können und dass (1.) Berufs-Persona und Privat-Persona nicht zusammenfallen müssen sowie dass (2.) auch die Berufs-Persona weder das Klischee „Ich bin naturgeil und brauche Schwänze“ noch das Klischee „Aus dem Ei gepellte Retorten-Schönheit“ erfüllen müssen. – Aber das praktisch zu erleben, ist doch noch mal etwas anderes. Kommen wir mal zurück zu Dir und Deinen Services. Du sprachst vorhin von „transgender“. Warum sprichst Du von „transgender“ und nicht „transsexuell“? „Transsexuell“ bedeutet, sich einem bestimmten juristischen und medizinischen Procedere zu unterwerfen und sich dabei auch bescheinigen zu lassen, eine psychische Störung zu haben. Ich habe meinerseits weder Bedarf an jenem Procedere noch an einer solchen Bescheinigung. – Der Begriff „transgender“ kam zunächst im englischen Sprachraum auf und erreichte in den 1990er Jahren Deutschland. Er bezeichnet zusammenfassend geschlechtliche Identitäten jenseits der von Frauen und Männern, die dies schon immer waren und auch schon immer als solche angesehen/anerkannt wurden. Teils wird „transgender“ als Oberbegriff verwandt, der „transsexuell“ einschließt, teils gerade von „transsexuell“ unterschieden. Wie würdest Du Dich ansonsten beschreiben? Als kreativ.

 

 

 

Wie würdest Du Deine Services zusammenfassend beschreiben? Der Sex findet zwischen den Ohren statt. Bist Du ein bisschen bi? Durch die Sexarbeit geworden… – Privat interessieren mich Männer sexuell praktisch gar nicht; aber sie sind nun einmal das mit riesigem Abstand größte Segment unserer Kundschaft. Welche Art von Männern turnt Dich an? Siehe vorstehend: Eigentlich gar keine. Welche Art von Frauen turnt Dich an? Frauen, die möglichst wenig dem Klischee „Frau“ entsprechen.

 

Würde es Dich freuen, wenn es mehr Kundinnen gäbe? Schwer zu sagen. Vielleicht würde es mir die Sexarbeit einfacher machen. Aber ich denke nicht, dass ich eine Gesellschaft, in der Frauen genauso viel und/oder genauso selbstverständlich Sexarbeit wie Männer konsumieren, besser finden würde, als die jetzige. Besser fände ich eine Gesellschaft, in der weder das (Über)Leben noch die Befriedigung sexueller Bedürfnisse vom Geld abhängt. Aber solange Geld nun einmal das „allgemeine Äquivalent“ ist, sehe ich auch keinen Grund, Frauen, weil sie Frauen sind, zu verwehren, Geld zur Befriedigung ihrer sexuellen Bedürfnisse zu nutzen – wenn sie es denn wollen würden.

 

Und… – was mir in Sachen Befriedigung sexueller Bedürfnisse auch noch wichtig ist, zu sagen: Es gibt meines Erachtens keinen berechtigten Anspruch gegen Dritte auf Befriedigung der eigenen sexueller Bedürfnisse, sondern nur ein Recht auf einvernehmliche Befriedigung sexueller Bedürfnisse ohne Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen. Insofern halte ich auch nichts von dem vermeintlichen Pro-Sexarbeits-Argument, dass erst Sexarbeit einigen Menschen ermögliche, ihre sexuellen Bedürfnisse befriedigt zu bekommen. Dieses „Argument“ verweist nämlich nur darauf, dass in dieser Gesellschaft Menschen (im Zusammenhang mit Sexarbeit: vor allem Frauen) gezwungen sind, etwas zu tun, um an Geld zu kommen, das sie nicht tun würden, wenn sie nicht an Geld kommen müssten. Etwas ganz anderes als die Befriedigung sexueller Bedürfnisse durch Tausch gegen Geld wäre, die in dieser Gesellschaft bestehenden Schönheitsnormen für Frauen und Männer in Frage zu stellen. Magst Du Gruppensex und Swingerclub-Besuche? Ob ich dies „mag“, ist in Bezug auf Sexarbeit eine falsch gestellte Frage. Aber ja, Gruppensex (mit Menschen, die keine Männer sind, es sei denn, letztere beschränken sich auf’s Zuschauen) und Begleitung in Swingerclubs gehört zu meinen Services.. An welchem Ort treibst Du es am allerliebsten? Im Rahmen der Arbeit: Bis Ende Juni habe ich in Berlin eine Wohnung zur Verfügung und werde also häufig dort sein; ansonsten mache ich meine Dates in Hotelzimmern; vielleicht würde ich mich aber auch mal für ein Outdoor-Date oder einen anderen unkonventionellen Ort buchen lassen. Wann ist ein Kunde für Dich ein Lieblingskunde? Die Kunden, die mein Profil bzw. meine Anzeigen vollständig gelesen und verstanden haben und sich für einen konkreten Termin an einem konkreten Ort interessieren, dann auch tatsächlich buchen, den Termin einhalten und beim Termin die vorhergehenden Absprachen einhalten, sind meine Lieblingskunden. Hast Du andere Hobbies ausser Sex? Ich würde nicht sagen, dass Sex ein/mein Hobby ist.  

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Written by Kaufmich Team


0 comments

There are no comments to display.

YOU MAY ALSO LIKE

×