Vor einigen Tagen habe ich mir erneut den australischen Film „Sleeping Beauty“ angeschaut. Das Wesen von einer Frau, die sich unterwirft, ist fragil und zerbrechlich. Und dieses Zerbrechliche und Zarte kommt in diesem Film sehr deutlich zum Ausdruck. Der Film porträtiert eine sehr junge und attraktive Frau, „die in einer rückhaltlosen Unterwerfung ihre Erfüllung sucht.“
Dieser Film ist von vielen Kritikern äußerst kritisch wahrgenommen worden. Und dies kann ich nur damit erklären, dass viele Menschen heutzutage mit einer offenen und kompromisslosen Manifestation von der Sexualität nicht zurechtkommen. Der Film zeigt eine Frau, die ihre Sexualität ganz offen auslebt, ohne Rücksicht auf die Meinung von anderen Menschen. Die junge Studentin Lucy macht ihr Studium an einer Hoch in Sydney und kommt mit ihrem Lebensunterhalt nur knapp zurecht. Sie arbeitet als Kellnerin und abends lernt sie Männer und Frauen in verschiedenen Bars von der City kennen, mit denen sie ab und zu gemeinsam hinter den Kulissen verschwindet. Dies macht sie mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit. Sie verhält sich so, als ob es die selbstverständlichste Sache auf der Welt wäre, den einen Körper anderen Menschen gegen die Bezahlung kompromisslos zur Verfügung zu stellen. Ich kann ziemlich gut nachvollziehen, dass dieser Eindruck bei sehr vielen gemischte Gefühle verursachen kann, von Abneigung und Scham bis zum heimlichen unterdrückten verbotenen Verlangen.
In einer Hochschulanzeige entdeckt Lucy ein verlockendes Jobangebot: Eine unkomplizierte und lukrative Arbeit in einem edlen Etablissement. Im realen Leben lauern hinter diesen widersprüchlichen Begriffen „unkompliziert und lukrativ“ zahlreiche Gefahren. Aber die junge Lucy ist unerfahren und unbekümmert, sie ahnt davon nichts und begibt sich ganz spontan und ohne sich viele Gedanken darüber zu machen auf dieses Abenteuer. Auf einem edlen Schloss (ganz im Sinne vom Märchen der Brüder Grimm…) wartet auf sie die kalte und unnahbare Clara, die es sofort weiß, die zarte Schönheit und Natürlichkeit von Lucy zu schätzen. Nun darf Lucy ganz knapp bekleidet, mit Strapsgürtel und Nylonstrümpfen, samt anderer Frauen ältere extravagante Gäste auf diesem Schloss während diverser Veranstaltungen bedienen. Dabei bewegt sie sich äußerst grazil und verursacht bei den älteren Herrschaften Bewunderung und Verlangen.
Weil die schöne Lucy bei den Gästen so gut ankommt, wird sie weiter „befördert“ und darf nun die dunklen Gelüste von den Clubmitgliedern befriedigen. Mittels leichter wird sie von Clara in tiefen Schlaf versetzt (ganz im Sinne vom Märchen der Brüder Grimm…). Ihr willenloser und unbeweglicher Körper darf von den Clubmitgliedern t werden, mit einer einzigen Einschränkung: Keine Penetration. Es ist erstaunlich zu beobachten, mit welcher Leichtigkeit sich ihre Körperglieder bei diesen Spielen bewegen, wie gut sie sich dehnen und wie zart ihre Statur ist. Dabei ist es eher von Vorteil, dass sie die Herrschaften bei den Spielen nicht beobachten kann: Es ist leider doch kein gewinnender Anblick. Die Anwesenheit von Lucy auf dem Schloss nimmt eines Tages ein abruptes Ende. Einer von den Gästen, ein hochgewachsener und muskulöser älterer Gentleman, will sich neben ihrem willenlosen Körper von seinem Leben verabschieden. Während sie bewusstlos auf dem prunkhaften Bett liegt, nimmt er zu sich Gift und schläft neben ihr für immer ein.
Beim Aufwachen erkennt Lucy diese erschreckende Wahrheit und bricht in einem hysterischen Anfall zusammen. Und dies ist auch die letzte Szene von diesem widersprüchlichen und dekadenten Film. Wenn man das Ganze „aus moralischer Sicht“ beurteilt, es eine traumatisierende Erfahrung, die diese junge Frau durch ein anständiges und gesittetes Leben vermeiden hätte können. Durch ihre Geldgier und ungezähmte Abenteuerlust gerät sie in eine Situation, in der sie mit dem Tod von einer anderen Person in Berührung kommt und darunter intensiv leidet.
Wenn man es aber schafft, sich für einen Moment von den moralischen Dogmen loszulösen, kann man in diesem Film eine vollkommene Darstellung von ungeschützter, fragiler, subtiler und zarter Weiblichkeit bewundern, die sich unter extremen Bedingungen ausbreitet. So wie reales Leben, ist diese Vorstellung widersprüchlich, vielschichtig und auch traurig, aber dennoch sehr reizend und ästhetisch. Und darum weiß ich diesen, von einem Märchen der Brüder Grimm inspirierten Film, sehr zu schätzen…
Den Film sah ich auch einmal vor längerer Zeit. Ich hab ihn als ästhetisch und rätselhaft in Erinnerung. Inhaltlich wirklich ziemlich kontrovers, da bei ihrem "Körpergebrauch" die totale Körperübereignung, totale Kontrollaufgabe und der eigene Wille zeitlich ausgeschaltet waren, sowie das Erinnerungsvermögen durch k.o.-Tropfen. So war die Situation ziemlich bewußtlos-einseitig, also eher irgendwie pervers (?). Und für mich war es die totale Allegorie körperlichen Mißbrauchs.
Ich sehe es bezüglich diesen Films eher wie Jolande. Von den Brüdern Grimm ist hoffentlich nur der Titel entliehen und die sieben Zwerge haben doch bitte ihr Dornröschen schön in Ruhe gelassen ;-) Der Film beschreibt für mich einen Albtraum, in den die Hauptdarstellerin, nicht ohne in einem gewissen Maß fasziniert und erregt zu sein, langsam hineingerät, und aus dem sie dann schlagartig erweckt, und danach auch traumatisiert ist. Er scheint mir auch eine Warnung zu sein, was passieren kann, wenn man komplett die Kontrolle abgibt oder was passiert, wenn man ein Schlaf- oder Beruhigungsmittel verpasst bekommt. Letzteres kommt auch in der Realität viel zu oft vor. Wieso es aber angeblich nicht zu Penetration kommen soll, erschliesst sich mir nicht. Vielleicht nur, um das Werk nicht zu pornographisch erscheinen zu lassen? In der Realität wäre das zweifelslos nicht der Fall. Auch interpretiere ich den Film als einen Hinweis darauf, daß einige erotisch Gedanken, die reizvoll erscheinen mögen, in Realität ganz furchtbar sein können, und darum besser feuchte Träume bleiben sollten.
Ich finde diesen Film auch ästhetisch und rätselhaft. Ein spannendes Kunstwerk ist, meiner Meinung nach, nicht dafür da, um uns zu zeigen, wie man richtig und gefahrlos leben kann. Es ist dafür da, um das reale Leben mit seinen ganzen widersprüchlichen Facetten zu zeigen. Und diese Facetten können sowohl schön als auch abstoßend sein. Und indem man das Abstoßende zeigt, kann man auch die dunkle Ästhetik und die tiefen Abgründe des Verlangens deutlich machen. Ich weiß diesen Film zu schätzen, weil er auf eine ganz künstlerische und ästhetische Art das Leben von einer Frau zeigt, die sich vollkommen und kompromisslos unterwirft. Wenn man dies aus rationaler Sicht betrachtet, kann man es als pervers und unmoralisch einstufen. Und es ist mit absoluter Sicherheit nicht empfehlenswert, im realen Leben Drogen oder Beruhigungsmittel zu sich zu nehmen. Darum geht es aber nicht... Es geht im die Ästhetik des jungen schlanken Körpers und um die erotische Energie, um die Gegensätze zwischen der blühenden Jugend und dem verwelkten Altsein, zwischen der glänzenden Schönheit und der abscheulichen (inneren und äußeren) Hässlichkeit. Und um diese Gegensätze überhaupt deutlich zeigen zu können, darf ein Künstler eine ganz besondere und surreale Situation schildern, die abseits von Moral und Gewissen steht.
Natürlich "darf" die Künstlerin das so darstellen. Abgesehen von der Form kann man sich ja trotzdem über den Inhalt Gedanken machen und selber positionieren. So dualistisch wie Du @lea.submission habe ich den Film gar nicht gesehen. Eher auch als die Zusammenkunft von Leere und Dekadenz.
Liebe Jolande, wir leben ja beide mehr oder weniger dekadent. Und deswegen interessieren mich ganz besonders die Kunstwerke, die eine solche Lebensform darstellen. Und dann kann sich jeder über den Inhalt Gedanken machen. Und jede Meinung ist berechtigt und legitim...