Deutschland im Herbst 2019. Etwa 300 Betreiber von Prostitutionsstätten, Aussteller, Referenten und Publikum versammelten sich beim Rotlicht Kongress in Frankfurt/Main, um über die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes zu diskutieren.
Ziel war es, gemeinsame Wege in der Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSch) zu finden und sich mit Anwälten, Steuerexperten, Behördenvertretern und Fachdozenten auszutauschen.
Wie bereits in
Berlin, Essen und
Frankfurt in den zurückliegenden Jahren geschehen. Schwierige Kost wurde da vermittelt im Saalbau Griesheim, dem Tagungsort des diesjährigen
Rotlicht Kongress in Frankfurt am Main. Denn 2 Jahre ist das
Prostituiertenschutzgesetz nun in Kraft.
Vielerorts wird das Rotlicht ausgeknipst
Die vorläufige Bilanz: Viele Betriebe müssen schließen oder Erlaubnisanträge warten auf Bearbeitung, viele Betriebe arbeiten ohne Genehmigung. Offenbar gibt es die Tendenz, das
Rotlicht auszuknipsen. Diese Prognose wurde mit dem Start des ProstSchG bereits voraus gesehen.
In NRW und Bayern sind verhältnismäßig viele Betriebe genehmigt, in Baden-Württemberg sowie Hessen sind
Genehmigungen eher die Ausnahme. So der Berater
Howard Chance, der über die aktuelle Situation im deutschen Rotlicht-Gewerbe Auskunft gab.
Etwa 25% aller Sexarbeitenden ist nach 2 Jahren registriert, die Mehrheit nicht. Kein Wunder, denn die Registrierungspflicht ist eine hohe Barriere. Schließlich übermitteln die Ordnungsämter die Informationen über die Anmeldung an den Fiskus. Mit rückwirkenden Steuerschätzungen ist zu rechnen.
Ähnlich sieht es bei den Betrieben in vielen Städten aus: nur ein kleiner Teil hat eine Erlaubnis bislang bekommen. Kontrolle findet nur in legalen Betrieben statt. Einige Escort Agenturen wandern ins Ausland ab, genauso wie viele Prostituierte. Abgewandert wird allerdings auch in illegale Bereiche der Prostitution: z.B. in AirBnB Wohnungen, in Hotelbetriebe oder in möblierte Apartments, die man für kurze Zeit online mieten kann.
Die Rotlicht Szene ist verunsichert
Die Rotlicht Szene ist verunsichert. 2 Jahre nach Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes besteht für viele Betriebe keine Planungssicherheit. Verkaufen können viele ihren Betrieb auch nicht, wenn keine
Konzessionierung vorliegt.
Hinzu kommen die Fallstricke des Baurechts. Mit dem Baurecht kann man viele Betriebe schließen, auch wenn sie eine Konzession nach dem ProstSchG haben. Ohne Baugenehmigung können viele Betriebe einfach nicht weiter arbeiten.
Das Baurecht ist ein Prostitutionsverhinderer
Deshalb ist das Prostituiertenschutzgesetz zusammen mit dem Baurecht ein „Prostitutionsverhinderungs-instrument“, so die Anwältin Dr. Margarete van Galen. Auch der politische Verein
Dona Carmen aus Frankfurt sieht in diesem Gesetz eine systematische Zerstörung der prostitutiven Infrastruktur in Deutschland, die eine Illegalisierung und Geheimprostitution begünstigt. Davon handelt auch ihr neues Buch "
Entrechtung durch Schutz", das wir hier im Magazin kürzlich vorstellten.
Fachanwalt Guntram Knop und Rechtsanwalt Jochen Jüngst vermittelten einige wichtige Neuigkeiten aus dem Bereich der „Umsatzsteuerhinzurechnung“ und Werbung. Keine Umsatzsteuer für Betriebe fällt an, wenn in Prostitutionsstätten die selbständig Sexarbeitenden vollkommen unabhängig arbeiten. Sexworker, die keine Kleinunternehmerin sind und mehr als 17.500€/Jahr verdienen müssen ebenfalls Umsatzsteuer abführen.
Im Rotlicht muß die Werbung fiskusgerecht sein
Sobald aber für „unsere Damen“ geworben wird, öffentliche Anwesenheitszeiten und Preise beworben werden oder ein Wirtschafter alles organisiert, inklusive der Reinigung und Wäsche, hat es das Gepräge einer abhängigen Beschäftigung und schon ist die Umsatzsteuer fällig. Achtung: bei Werbung auf Webseiten darauf zu achten, daß sie fiskusgerecht
und rechtssicher ist.
Auch bei der Personalplanung in Prostitutionsstätten ist es sinnvoll, daß es mehrere „zuverlässige“ Personen gibt, die die
Zuverlässigkeitsprüfung nach dem ProstSchG erfolgreich durchlaufen haben.
Verstöße gegen das Betriebskonzept können zur Rücknahme der Erlaubnis führen
Es hagelt Bußgelder, wenn man in der Praxis gegen das Betriebskonzept verstößt; wiederholte Auflagenverstöße führen zu einer Rücknahme der Erlaubnis. Dazu zählt, wenn Sexarbeiterinnen gegen die Kondompflicht verstoßen, und wenn Damen rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Anmeldung keine (Pauschal-) Steuern gezahlt haben.
Auch dann werden Betreiber in Haftung genommen, sofern sie keine Quittungen im Rahmen des Düsseldorfer Verfahrens ausstellen. Die Quittungen dürfen nicht auf den Alias-Namen der Sexarbeiterin ausgestellt sein. Zulässig ist nur der Klarname. Denn das Finanzamt fordert immer die Daten von Pass oder Personalausweis, die Meldeanschrift sowie die Steuernummer ein. Nach der Datenschutzgrundverordnung ist aber das Scannen, das Abfotografieren oder Kopieren von Ausweispapieren nicht zulässig.
Das ProstSchG sieht einen Zeitraum von 2 Jahren vor, was die Aufbewahrungspflicht der Unterlagen betrifft, das Finanzamt jedoch 10 Jahre. Wer steigt da eigentlich noch durch?!
Übrigens sind auch gefälschte Alias-Bescheinigungen im Umlauf oder ähnlich aussehende Damen arbeiten mit der gleichen Alias-Bescheinigung. Hier trifft den Betreiber aber keine Verantwortung und er wird nicht in Haftung genommen.
Kritisch ist die 50/50 Regelung
Wucher ist ebenfalls nicht zulässig. Kritisch ist auch die 50/50% Regelung in Mietverträgen. Sexworker dürfen nicht weniger verdienen als der Vermieter an Miete einbehält. Eine Preisliste für die Nutzung eines Zimmers muß in der Prostitutionsstätte immer ausliegen.
Christoph Rohr, der auch die Website
Zustellanschrift.de betreibt und eine Zustellanschrift für Sexworker ohne festen Wohnsitz anbietet, wies darauf hin, daß nach seiner Erfahrung etwa 70% der Sexarbeitenden Migrantinnen seien, die bei kurzen Aufenthaltszeiten in Deutschland nur einer "beschränkten Steuerpflicht" unterliegen.
Es geht um die Existenz vieler Rotlicht Betriebe
Dies ist nur ein kleiner Überblick. Noch mehr wurde in den vielen Parallelveranstaltungen besprochen. Eine Fülle an Informationen, für die ein Veranstaltungstag kaum ausreicht und die wirklich notwendig sind. Schließlich geht es um die Existenz und Zukunft vieler Betriebe.
Der Rotlicht Konferenz war wie immer perfekt organisiert, an Speis und Trank fehlte es nicht. Aussteller, Sponsoren und Dienstleistungen wie die Anzeigenportale Quoka und sexdo, der Kondomhersteller London und Versicherungen für das Erotikgewerbe waren ebenfalls vor Ort. Eine rundum gelungene Veranstaltung mit interessanten Gesprächen und überraschenden Einblicken hinter die Kulissen.
Wie gefällt Euch unser Einblick hinter die Kulissen des Rotlicht Gewerbes? Habt Ihr Fragen? Dann schreibt uns in den Kommentarteil und wir versuchen sie nach bestem Wissen zu beantworten.
Written by Susi
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