Für mich mutet es in einem legalisierten Gewerbe doch irgendwie seltsam an, dass das Prostitutionsgesetz durch regionale Sondergesetze regelrecht ausgehebelt wird. Da gibt es “eingeschränkte Gewerbezulassung” und “eingeschränkte Niederlassungsfreiheit”, “Sperrbezirksverordnungen” und “Sondersteuern” und was nicht noch alles. Der aktuelle Fall in Hamburg St. Georg sieht beispielsweise eine Geldstrafe von 5000€ für Kunden vor, wenn sie eine Sexarbeiterin ansprechen und den Preis für eine sexuelle Dienstleistung aushandeln.
Diese Prostitutionspolitik verunglimpft die Strassenprostitution, kriminalisiert die Sexarbeit insgesamt und bewirkt eine Verdrängung des gesellschaftlichen Faktums von bezahltem Sex in andere Städte oder abgelegene Gewerbegebiete.
Szene-Expertinnen sind sich einig, dass ein “Kontaktverbot” (wie in St. Georg) und die Vertreibung in Randzonen und Gewerbegebiete die Arbeit der Sexarbeiterinnen noch risikoreicher macht. Sie führt im Regelfall zu mehr Zwang und Ausbeutung. Das kann man in vergleichbaren Fällen und anderen Ländern beobachten. Beispielsweise hat in Schweden vor zehn Jahren die Kunden-Kriminalisierung Einzug gehalten. In einem derart illegalisierten Umfeld ist die Arbeit der Sexanbieterinnen deutlich gefährlicher geworden. Sie sind häufiger Opfer von Gewalt und Bedrohung, wie es Beratungsstellen für SexarbeiterInnen berichten. Trotzdem erwägt Frankreich die Einführung des umstrittenen Schwedischen Modells. Dabei zwingt die Kriminalisierungspolitik beide Seiten, Kunde wie Anbieterin, sich extremen Risiken auszusetzen, wozu Zwangsouting, Haftstrafen, die Zerstörung der eigenen sozialen Beziehungen – Familie, Freundschaften, Partnerschaften – gehören, die vielen Sexarbeiterinnen und ihren Kunden zum Verhängnis werden können.
Tatsächlich hat das “Schwedische Modell” entgegen offizieller Behauptungen keinen Fortschritt bezüglich selbstgesetzter Ziele erreicht, sondern die sichtbare Prostitution nur unsichtbarer gemacht. Die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen blieb bestehen, wenngleich sie nun teilweise in Nachbarstaaten mit liberaleren Gesetzen ausgelebt wird.
Kriminalisierungspolitiken schaffen Prostitution nicht ab, wie es differenzierte Länderberichte aus aller Welt nachweisen, sondern nur mehr Opfer! Das zeigen die Berichte aus Ländern mit liberaleren Prostitutionsgesetzen wie Neuseeland, die Niederlande und Dänemark. Dort ist sehr viel weniger Gewalt, Nötigung, Bedrohung und soziale Ächtung anzutreffen.
Das in St. Georg “missbilligte” Verhalten des “Ankoberns” hat auch einen Aspekt in der städteplanerischen Aufwertung des Stadtteils. Der Trend zum Wohnen in attraktiver Innenstadtlage, ohne Ausblick auf eine stigmatisierte Tätigkeit, führte bereits zu einer Verdoppelung der Immobilienwerte in diesem zentralen Hamburger Bezirk rund um den Hauptbahnhof. Wenn die Sexarbeiter komplett verschwinden, ist noch einmal mit einer Wertsteigerung zu rechnen. Zwar hat die bereits seit 1980 geltende Sperrbezirksverordnung und die Verhängung von Bußgeldern für die Sexworker auf der Strasse das Arbeiten schon vorher zu einem Katz und Maus Spiel werden lassen, doch tolerierten die Anwohner in früheren Zeiten die Damen aus dem Gewerbe nicht nur, sondern sie waren gewissermassen im öffentlichen Raum integriert und für praktische Hilfe der Beratungsstellen vor Ort ansprechbar. Hier stellt sich die Frage: Wem gehören eigentlich unsere Städte? Muss eine lebendige, lebens- und liebenswerte Stadt nicht Platz für alle Menschen bieten und ihren Bedürfnissen gerecht werden?
Ein “Runder Tisch” täte not bzw. ein Bürgerforum, in dem alle Interessengruppen zusammenkommen, um eine Lösung für ein Zusammenleben im Stadt-Raum zu finden. Die Vertreibung von Sexarbeiterinnen aus nunmehr „aufgewerteten” Pflastern, die ihren “kultigen” Charme aber unter anderem jenen verdanken, die jetzt vertrieben werden, ist keine Lösung.
P.S.: In eigener Sache - Kaufmich als Kontaktplattform erreicht mittlerweile Frauen aus allen Bereichen der Sexarbeit, ob Straße, Modellwohnung, Bordell oder Hotel. Das Kaufmich-Team war und ist bei der Entwicklung dieser Community immer daran interessiert, für alle selbständigen Sexworker in dieser Gesellschaft eine größere Akzeptanz und einen selbstverständlichen Respekt einzufordern.
Bei Kaufmich gelingt der Kontakt und der direkte Informationsaustausch zwischen Kunde und Escort vortrefflich. Auch ein gegenseitiges “Beschnuppern” ist möglich. Tabus und Regeln können im Vorfeld geklärt werden. Hier begegnen sich Kunden wie Escorts sicher und ohne Repressalien. Wir wollen dazu beitragen, dass Date-Anbahnung über das Internet sicher gestaltet wird.
Daneben ist es unser Anliegen, bei Kaufmich engagierten Vertretern von Sexanbietern ein Forum zu bieten, damit sie beispielsweise auf Missstände hinweisen und politische Forderungen formulieren können. Engagierten Gastbeiträgen werden wir bei Kaufmich immer einen Raum geben.