Am letzten Samstag startete die Aktionskonferenz der Kampagne Sexarbeit ist Arbeit. Respekt! Sie wollte ein Zeichen gegen repressive Prostitutionsgesetze und den gesellschaftlichen Rechtsruck setzen. Die Kampagne besteht aus einem Bündnis von SexarbeiterInnen, Feministinnen und Sozialarbeiterinnen. Die Rosa Luxemburg Stiftung war so freundlich, die Räume für diese Konferenz zur Verfügung zu stellen.
Von Lutschliesen und Pflastertauben
Die Kommunikationswissenschaftlerin Laura Meritt, die auch den PorYes Award in Deutschland einführte und
Sexclusivitäten vertreibt, verbreitete zum Start der Konferenz gute Laune mit einer Lach- und Lockerungsübung. Lachen ist auch eins der Forschungsgebiete von Laura Meritt. In ihrem unterhaltsamen Vortrag gab sie einen Einblick in die Begriffsgeschichte des Wortes Hure. Sie klärte aber auch über Begriffe wie „Lutschliese“, „Pflastertaube“ und „Nüttchen“ auf. Jedoch kritisierte sie, dass der Begriff „Prostituierte“ den Opferdiskurs vorgezeichnet hat, der die allgemeinen Debatten beherrscht. Sexpositiver Feminismus hinterfragt Machtkonstellationen hinter den Begriffen. Deshalb wurde in den 70er Jahren auch das Wort Sexarbeit eingeführt, um die Deutungshoheit über Sex als selbstbestimmte Arbeit zurück zu gewinnen und gegen die Kriminalisierung dieser Tätigkeit zu mobilisieren.
Sexuelle Selbstbestimmung ist Menschenrecht
Sexuelle Selbstbestimmung on- und offline war Thema des nächsten Vortrags und wie wichtig der Kampf gegen sexualisierte Gewalt, der Zugang zu Sexualaufklärung und Abtreibungen ist. Jasna Strick stellte einige Online Kampagnen vor. Bekannt wurde z.B. die #Aufschrei Kampagne, wo viele Frauen erstmalig über ihre Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt berichteten. Aber auch Online Kampagnen gegen #219a und #Czarnyprotest, die über Grenzen hinweg Aufmerksamkeit schaffen. In ihrem Abschluss Plädoyer machte Jasna Strick klar, dass es beim Kampf um sexuelle Selbstbestimmung wichtig ist, Bündnisse und Allianzen zu bilden: „Sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht! Feminismus und Sexarbeit sollten zusammengebracht werden."
Es gab ausserdem verschiedene Workshops, um z.B. über die Thesen von Feminismus und Sexarbeit zu diskutieren oder ob Sozialarbeit stigmatisiert. Die Gruppe Maria & Magdalena4ever ist eine kleine Gruppe von Frauen, die aus feministischer Perspektive gegen die Stigmatisierung von Sexarbeit Position beziehen. Ihre Thesen lassen sich auch auf ihrem Blog
mariamagdalena4ever.blogsport.eu nachlesen.
Kein Paternalismus in der sozialen Arbeit
Nach der Mittagspause ging es mit einem Vortrag von Prof. Nivedita Prasad weiter, die an der Alice Salomon Fachhochschule im Fach Soziale Arbeit unterrichtet. Sie zeigte sich sehr erschrocken über das Prostituiertenschutzgesetz: „Es ist unfassbar, dass es im Jahr 2018 ein Gesetz gibt, das derart in die sexuelle Selbstbestimmung der Frauen eingreift.“ Sie machte auch klar, dass Paternalismus
in der sozialen Arbeit nichts zu suchen habe. Keine Bevormundung, sondern ein Dialog auf Augenhöhe muss zwischen Sozialarbeitern und ihrer Klientel möglich sein.
Das Ziel kann nur sein, eine würdevolle Beratung zu garantieren, die die Autonomie der zu beratenden Person anerkennt.
Über „verwertbare“ und "wertlose" Körper
Bei dem Vortrag von Matthias Vernaldi, der die Initiative Sexybilities und die Zeitung „
Mondkalb - Zeitschrift für das organisierte Gebrechen“ ins Leben gerufen hat und selbst mit einer Behinderung lebt, ging es in einen philosophisch-historischen Rückblick darum zu zeigen, wie Menschen mit Behinderungen und Sexarbeiterinnen als „hilfs- und rettungsbedürftig“ konstruiert und be- bzw. entwertet werden. Dies hat eine lange Tradition: „SexarbeiterInnen und Menschen mit Behinderung werden gesellschaftlich ausgeschlossen, ihre Körper abgewertet."
Vor einiger Zeit ging ja die Schlagzeile „Sex auf Rezept“ durch die Presse. Auf die Frage, ob Krankenkassen für sexuelle Dienstleistungen für behinderte Menschen bezahlen sollen, meinte Matthias Vernaldi: „Bloss nicht. Dann wird ja meine Sexualität schon wieder abgewertet."
Ausserdem stellten zwei Künstlerinnen ihre Projekte vor: Das Projekt Objects of Desire verbindet ein wachsendes Online Archiv mit Geschichten von SexarbeiterInnen und Objekten. Und das Schwarmkunst Projekt Strichcode2. Einen Überblick kann man sich auf der Website von
Projectofdesire.co.uk verschaffen. Strichcode2 knüpft an das Vorgängerprojekt Strichcode aus Hannover an, über das wir
im Magazin vor einigen Jahren ausführlich berichteten.
Fazit: Es gibt noch viel zu tun, insbesondere was Lobbyarbeit und strategische Prozessführung betrifft, um das Prostituiertenschutzgesetz oder Teile davon zu kippen.
Würde Euch die Teilnahme an einer Konferenz reizen? Welche Themen müssten für Euch im Vordergrund stehen? Schreibt uns Eure Meinung in den Kommentarteil.
Written by Susi
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