Bis auf wenige Länder, wo Sexarbeit reguliert d.h. unter bestimmten Auflagen legalisiert und rechtens ist, herrschen in fast allen Staaten dieser Welt Prostitutionsverbote. Über die Folgen und die Auswirkungen, auch über ihre ganz persönlichen Lebensgeschichten und Erfahrungen berichten Sexarbeiterinnen, Transfrauen und männliche Sex Worker rund um den Globus und aus allen Sparten des Gewerbes: über ihre Arbeit am Autostrich, im Bordell, als Escorts und Callgirls, auf der Strasse, in Table Dance-Clubs.
Die Filme aus Kanada, Indien, USA, Schweiz, Deutschland, Südafrika, Botswana, Namibia, Thailand, Niederlande, Spanien, Rumänien, Grossbritannien, Honduras, Ecuador, Italien, Frankreich waren allesamt gut ausgewählt. Einige der Filmemacher waren sogar vor Ort.
Das Publikum war zahlreich und staunte nicht schlecht, wo man es doch sonst mit vorgefertigten Bildern in den Medien zu tun bekommt, die uns als Opfer oder Kriminelle beschreiben. Die Medien, genauso wie Prostitutionsgegner und viele Ausstiegsexperten sowie “Menschenrechtsgruppen” aus der sog. Helfer-Industrie, lieben Sexworker hauptsächlich als "Opfer"; als Menschen mit vielfältigen Facetten, im Kampf um Selbstbestimmung und Selbstbehauptung, wollen sie uns kaum wahrnehmen. Selbstbewusste Menschen, die in der Erotik-Branche werkeln, sind für diese "Experten" offenbar uninteressant, eher langweilig, nicht der Aufmerksamkeit wert.
Auch unsere politischen Forderungen finden kaum Einlass in der veröffentlichten Meinung. Dies vereint ebenfalls unsere Erfahrungen auf aller Welt.
Daher ist ein Sex Work Film Fest nicht nur ein gesellschaftliches und seltenes Ereignis, es ist ein Ort, wo Realitäten in Bild und Ton gesetzt werden, die anderswo totgeschwiegen werden und nicht das Licht der Welt erblicken.
Da ist zum Beispiel "Frau Mercedes". Der Film portraitiert eine Frau in der Schweiz, die in gleichnamigen Auto am Autostrich zu Bern seit 35 Jahren anschafft; sie berichtet über das Altern am Strich und über die Veränderungen der Arbeitsbedingungen, sie talkt mit einem Ordnungshüter, der wohl ebenso lang dort regelmässig seine Kontrollrunden dreht. Man kennt sich, tauscht sich über die alten Zeiten aus, die Veränderung des Gewerbes, durch das Fenster, von Auto zu Auto. Frau Mercedes erzählt von ihren goldenen Zeiten. Was sie damit meint, erfährt man aus ihrem Fotoalbum, wo sie selbstbewusst auf der Kühlerhaube ihrer wechselnden Luxuskarossen sitzt. Darunter eine scharfe Corvette, wenn mich mein kurzsichtiges Auge nicht betrogen hat. Selbst bezahlt natürlich und nur vom Feinsten, wie auch ihre edlen Pelzmäntel, die sie auf vielen Fotos trägt. Privat vergnügte sie sich mit Frauen, die, wie sie sagt, elegant und schön sein mussten und nicht zu leicht zu haben waren. Frau Mercedes ist ein anrührender Film über eine starke Frau, die intensiv gelebt und geliebt hat. Den Trailer kann man hier sehen.
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=oUlQTbJTJWA
Zu erwähnen sei auch ein Film aus Thailand namens "Last Rescue in Siam" über thailändische Kolleginnen, die einfach nicht von Sozialarbeiterinnen gerettet und zwangsumgeschult werden wollen. In diesem Fall ist es dann die Arbeit an der Nähmaschine. Der Film ist als Stummfilm mit vielen ulkigen Einlagen angelegt, das Publikum hat sich kringelig gelacht. Hier ein Link zum Film. Leider ist der Film von Deutschland aus nicht zu sehen, aber falls ihr euch demnächst im Ausland auf Tour oder im Sommerurlaub aufhalten solltet, riskiert mal einen Blick!
Ein für mich persönlich sehr wichtiger Film ist die Dokumentation über die Sex Worker University 2011 in London, ein Ereignis, an dem ich letzten Herbst zusammen mit selbständigen Frauen und Männern aus der Erotik-Branche teilnahm und über das ich auch das Publikum in Hamburg informierte. Im Kaufmich-Blog ist dazu hier etwas zu finden.
Update: der Film "Gleiche Rechte", der in 17 Sprachen verfügbar ist, stammt vom europäischen Projekt Indoors, und wurde von und für Sexworker entwickelt.
http://www.youtube.com/watch?v=HmLWGehF-dY&feature=plcp
Übrigens, beim Gang zur Festival-Toilette hab ich dort eine interessante Entdeckung gemacht: eine Installation, ein Kunstprojekt namens "Fit im Schritt", eine interaktive Animation fand ich vor, die mitsamt köstlichen Comiczeichnungen darüber aufklärte, wie man sich die Muschi gesund hält. Ein Projekt von Huren für Huren über gesundheitliche Aufklärung. Angefertigt mit Liebe und Sorgfalt von einigen Hydra-Frauen, die im gleichnamigen Verein aktiv sind und am Folgetag auch einen Workshop für Sexworker veranstalteten. Hier wurde u.a. die Frage diskutiert, warum es eben etwas anderes ist, wenn Huren Huren unterrichten, informieren und unterstützen, als wenn es Sozialarbeiterinnen tun. Ja, es fühlt sich anders an, wenn man nicht als "Betroffene" wahrgenommen wird. He he ...
Ich muss wirklich sagen, mein Kompliment an das Organisations-Team und alle, die das Film-Fest möglich gemacht haben. Es war einfach grandios: nicht nur die sorgfältige Auswahl der Filme, auch wir Sexarbeiterinnen wurden vor Ort nach Strich und Faden verwöhnt. Sei es Kümmern um unsere Übernachtung der Angereisten, der Barbetrieb, der uns mit Drinks versorgte und natürlich der Sexworker Only Brunch am Sonntag, wo leckere Köstlichkeiten aufgefahren wurden. Ich war durch einen Geburtstag bis zum frühen Morgen in St. Pauli auf den Beinen und wir feierten in einer abgefahrenen Transladies-Abschlepp Bar. Nach drei Stunden Schlaf war ich trotzdem die Erste, die sich vor Ort einfand und über das herrliche Buffet herfiel.Ein Ereignis, unvergesslich!