Regelmässig berichten wir auch über die Situation der Sexarbeit in anderen Ländern. In dieser Woche weist uns Gastautor CptnNemo auf die erschreckende Entwicklung in Spanien hin, der die Gründung der Sexarbeiter Gewerkschaft OTRAS vorausgegangen ist. Die Regierung will diesen Prozess rückgängig machen.
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Sexarbeitende auf der ganzen Welt kämpfen für ihre Rechte, für die Anerkennung ihrer Tätigkeit als Arbeit. Zusammenschlüsse in Vereinsform gibt es in jedem europäischen Land, in dem Prostitution nicht als Verbrechen gilt. Wie in Deutschland. Die offizielle Anerkennung als Verband Werktätiger, als Gewerkschaft, ist das Ziel dieser Selbsthilfevereine – aber dahin ist es meist noch ein weiter Weg.
OTRAS bekommt offizielle Zulassung als Gewerkschaft
In Spanien hat es die Vereinigung OTRAS ( Organización de Trabajadoras Sexuales – Wortspiel: „die Anderen“) geschafft, den Zulassungsprozess zu durchlaufen. Anfang August wurde die offizielle Zulassung von OTRAS durch die Arbeitsgeneraldirektion in Spanien im Amtsblatt der spanischen Regierung veröffentlicht, und damit wirksam.
Als die seit drei Monaten amtierende Ministerin für Arbeit und Soziales, Magdalena Valerio (PSOE) das frisch gedruckte Amtsblatt erhielt, habe sie es aus Wut zerrissen, wird erzählt. Man habe ihr ein „unhaltbares Tor“ geschossen, klagte sie. Dies sei „eines der größten Ärgernisse meines politischen Lebens“, fügte die 58-jährige Sozialdemokratin hinzu. Valerio bezeichnet sich selbst als Feministin, und in dieser Eigenschaft hält sie Selbstorganisation von Prostituierten für einen Frevel. Die Prostitution sei in Spanien „nicht legal“ und verletze „die Rechte der Frauen“. Magdalena Valerio erteilte deswegen den Juristen ihres Ministeriums den Auftrag, die Zulassung der Prostituiertengewerkschaft wieder rückgängig zu machen. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass dieser „Fehler“ schnell korrigiert werden könne. Der spanische Minsterpräsident Pedro Sánchez (ebenfalls PSOE) äußerte kurz danach volle Zustimmung zum Kurs seiner Ministerin.
Zulassung der Prostitutiertengeschwerkschaft soll wieder rückgängig gemacht machen
Natürlich ist Prostitution in Spanien nicht illegal – OTRAS wäre sonst genauso wenig zugelassen worden wie eine (fiktive) Gewerkschaft der Diebe. Auch würde es kaum einen Verband der Bordellbetreiber geben – zugelassen 2004, kein Verbot geplant. Aber „dass es eine Gewerkschaft der SexarbeiterInnen gibt, wird die Regierung in keiner Weise akzeptieren“, verkündete die Regierungssprecherin Isabel Celaa am 31. August.
Regierung weiss nicht, was legal und illegal ist
Die Generalsekretärin von OTRAS, Concha Borrell erwiderte: Die Regierung müsse geschlossen zurücktreten. Es sei unglaublich, dass sie nicht wissen, was in diesem Land legal, und was illegal ist. Weiter sagte Borell, dass die spanische Regierung damit Sexworkern als einziger Branche die Möglichkeit gewerkschaftlicher Zusammenschlüsse, den Kampf für Arbeitnehmerrechte verweigere, die größtenteils sowieso noch Utopie seien. Während das Recht der Arbeitgeber auf Zusammenschluss unangetastet bestehe.
UI fordert Prostitutionsverbot und Freierbestrafung
Gewerkschaftsnäher als die PSOE sind ihre Koalitionspartner, das linke Basisbündnis Unidos Podemos („vereint schaffen wir's“) und und Izquierda Unida (Vereinigte Linke). Doch hier kann OTRAS keine Unterstützung erwarten. Die IU hat die Registrierung der Gewerkschaft auf ihrer Webseite schon als „gravierenden Fehler“ bezeichnet, und die Regierung aufgefordert, Prostitution zu verbieten und eine Bestrafung der Freier einzuführen. Die Abgeordnete und IU-Sprecherin für Gleichheit, Isabel Salud, erklärte, die Zulassung der Organisation sei für eine „demokratische und feministische Gesellschaft nicht akzeptabel, die sich für die Abschaffung der sexuellen Ausbeutung und des Menschenhandels einsetzt“.
Soweit geht die UP nicht – sie hält sich fein raus. Ob Verbot oder Zulassung, das sei „eine Angelegenheit des Regierung“, erklärte Sofía Castañón, Sekretärin für Feminismus und die Rechte sexueller Minderheiten bei Podemos gegenüber der Tageszeitung El Diario.
Anarchosyndikalisten an der Seite der SexarbeiterInnen
Solidarität erklärte bislang nur die anarchosyndikalistische Gewerkschaft Confederación General del Trabajo (CGT ). Sie begrüßte ausdrücklich die Gründung der neuen Interessenvertretung der Sexarbeiterinnen. Die Frauen seien seit Jahren Teil »feministischer Kollektive und sozialer Bewegungen« und forderten nun ihre Rechte ein, heißt es in einer Erklärung. Die Gewerkschaft werde ihre Situation »sichtbar« machen und zu ihrer Entkriminalisierung beitragen. Zudem könnten durch den Zusammenschluss »ausbeuterische Arbeitsverhältnisse« zurückgedrängt werden.
Man muss wissen: Anarchosyndikalisten sind in Spanien nicht so eine Splittergruppe wie sonst überall (die CGT hat fast 100.000 Mitglieder).Aber weitere Unterstützung für OTRAS ist wünschenswert. Der Kampf der SexarbeiterInnen Spaniens für ihre Rechte hat europäische Bedeutung.
Verlieren sie, verlieren auch wir!
Erklärung und Unterschriftenkampagne des Vereins APROSEX/Barcelona (aus dem OTRAS hervorgegangen ist):
http://www.aprosex.org/the-right-to-organize-is-in-serious-danger-in-the-europe-of-the-27/