In den meisten Ländern unserer Welt gibt es spezielle Regelungen und Gesetze, die den Umgang mit Sexarbeitern, dem Prostitutionsgewerbe und / oder ihren Kunden regeln. In unseren Länderberichten versorgen wir Euch mit wichtigen landestypischen Informationen. Im folgenden Artikel geht es um Sexarbeit in Afrika. Weil sich die staatlichen Gesetzgebungen dort sehr ähneln, haben wir uns diesmal auf einen Artikel für ganz Afrika beschränkt.
Rechtliche Lage
Bis auf Senegal, wo Sexarbeit legalisiert und reguliert ist, ist Sexarbeit in Afrika fast überall verboten. Entweder ist Prostitution selbst im Sinne des Austausches sexueller Dienstleistungen zwischen Anbieter und Kunden verboten oder Aktivitäten rund um Prostitution allgemein, wie Bordelle oder das dritte Personen aus Einkünften der Prostitution leben. Zwar ist Sexarbeit in Burkina Faso, die Elfenbeinküste, Namibia, Mali, Sambia und Mosambik legal, aber dadurch, dass sämtliche Handlungen rund um Sexarbeit verboten sind, praktisch unmöglich, sie legal auszuüben. Ausserdem wird trotz Verboten überall Sexarbeit ausgeübt. Zuhälterei und Kinderprostitution sind weit verbreitet und Zielländer für Sex Touristen.
So setzen sich afrikanische SexarbeiterInnen für ihre Rechte ein
Während man im Westen häufig auf die „armen und rückständigen Dritte-Welt-Prostituierten“ (Chi Mgbako) herabschaut, hat sich in Afrika seit den 90ern längst eines der engagiertesten Netzwerke von SexarbeiterInnen in aller Welt gebildet, die, vergleichbar mit Organisationen in Indien, weltweit eine Vorreiterrolle einnehmen, wenn es um den Kampf gegen die Kriminalisierung von SexarbeiterInnen und für die Anerkennung ihrer Menschenrechte geht: dazu zählen die Rechte auf sichere Arbeitsbedingungen, Gesundheit und Rechteschutz, also dass man Straftaten an SexarbeiterInnen überhaupt zur Anzeige bringen kann und eine Strafverfolgung ermöglicht wird.
Man kann behaupten, dass der Kampf der Sexworker im globalen Süden gewissermassen als Vorbild für den Norden dienen kann, wenn es um den hohen Mobilisierungs- und Organisationsgrad geht. Die Betonung der AktivistInnen des globalen Südens liegt nämlich insbesondere auf den Rechten all jener, die am stärksten Missbrauch und Gewalt in der Sexarbeit ausgesetzt sind. Und das sind hier eben fast alle.
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Sexarbeit in Afrika: Gefährliche Situation vor Ort
Die Situation für SexarbeiterInnen in Afrika ist nicht einfach schwierig, sie ist katastrophal: SexarbeiterInnen werden dort häufig verstümmelt und/oder ermordet in Hotelzimmern aufgefunden, ihre misshandelten Körper an Strassen ausgekippt. Sie werden regelmässig vergewaltigt, landen im Gefängnis, sind Gewalt durch Polizei, Kunden u.a. ausgesetzt, genauso wie Mehrfach-Stigmatisierungen und Diskriminierungen: nicht nur als SexarbeiterIn mit dem gesellschaftlichen Stigma „Prostituierte“ belegt; hinzu kommt die gesellschaftliche Ausgrenzung als Migrantin, als HIV positive SexarbeiterIn, als transgender Sexarbeiterinnen oder männliche Sexarbeiter, ob homosexuell oder nicht. Homosexualität ist in Afrika weitgehend verboten und wird drastisch verfolgt. Das Stigma der Homosexualität lastet also auf jeden Mann in der mann-männlichen Sexarbeit.
Schlüsselfunktion in der Bekämpfung von HIV
Sexworker in Afrika sind überdurchschnittlich von HIV und Geschlechtskrankheiten betroffen: dies gilt für Sub-Sahara Afrika als die weltweit am stärksten betroffene Region: etwa 26 Millionen Menschen leben mit der HIV-Epidemie. HIV-Medikamente der dritten Generation oft unbezahlbar. Für die meisten gibt es gar keinen Zugang zu einer lebensrettenden Behandlung. Bezahlbare Generika stehen meist nicht zur Verfügung, da dies durch das Monopol der Pharmakonzerne verhindert wird. Ausnahme ist
Indien, wo es einen funktionierenden Wettbewerb zwischen Generika gibt, der aber durch die internationale Pharmaindustrie ebenfalls bedroht ist.
Deshalb kommt SexarbeiterInnen in Afrika eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung von HIV/Aids zu: im Zugang zu Gesundheitsdiensten und als Peer Berater zu (Peers sind geschulte SexarbeiterInnen, die andere SexarbeiterInnen beraten). Ein flächendeckendes Beratungsnetz sozialer Dienste wie in Deutschland sucht man dort vergebens.
Gründung von Mitgliedsorganisationen in ganz Afrika
Jede soziale Bewegung gründet sich auf unendliches Leid. Genau das hat in Afrika zu einer Graswurzelbewegung geführt, das, was man im Deutschen auch Basis- oder Bürgerbewegung nennt. Von unten, von der Basis, hat sich fast explosionsartig eine afrikanische Sexworker Bewegung namens Sisonke entwickelt.
SWEAT (sex worker education advocacy taskforce) in Südafrika war hier tonangebend und hat sowohl die Gründung von Sisonke ermöglicht, als auch
ASWA (african sex worker alliance), die pan-afrikanische Allianz von SexarbeiterInnen. ASWA hat bislang 85 Mitglieds-Organisationen in 30 afrikanischen Ländern. Und das ist nur der jetzige Stand. Allein in Kenia gibt es 80 von SexarbeiterInnen geleitete Gruppen.
Dies ist die jüngste Entwicklung in der internationalen Sexworker Rechte Bewegung, die vor etwa 40 Jahren in den USA und Europa ihren Ausgang nahm. Entlang dieses afrikanischen Beispiels lässt sich wunderbar studieren, wie die Mobilisierung und Organsation von SexarbeiterInnen gegen Kriminalisierung und für mehr Rechteschutz aussehen kann. Deshalb werde ich
in einem weiteren Beitrag ein neues sehr lesenswertes Buch zu diesem Thema besprechen, das soeben erschienen ist:
Chi Mgbako: To live freely in this world - Sex Worker Activism in Africa
Im oben genannten Artikel über das Buch von Chi Mgbako wird auch die besondere Situation der Sexarbeiter & Aktivisten für menschenwürdige Sexarbeit in Afrika beleuchtet, wo trotz heftiger Stignatisierung und alltäglicher, allgemein geduldeter Gewalt gegen Sexarbeiter eine sehr große, sehr mutige und sehr aktive Gegenbewegung agiert, die sich vehement für die Rechte der Sexarbeiter einsetzt, unter Auslassung westlicher 3. Welt-Helfer-Syndrom-Diskurse.
Aber lest selbst!
Written by Susi
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