Interview mit Elli, Sexarbeiterin und politische Aktivistin  

 

Wie alt bist Du? Und wo lebst Du? Ich bin 54 Jahre alt und wohne jetzt in Frankfurt.

 

 

 

Wie lange arbeitest Du schon als Escort? Ich arbeite seit 33 Jahre als Sexarbeiterin.

 

 

 

Hast Du verschiedene Branchen in der Sexarbeit kennengelernt? Ja von Wohnungsprostitution, Escortbereich, FKK-Clubs, Nobelclubs, habe auch als Escort in der Schweiz gearbeitet, als es dort in der 80er Jahre illegal war. Deshalb weiß ich, welcher Nachteil es ist, wenn man in einer rechtliche Grauzone arbeiten muss.

 

 

 

Seit wann engagierst Du Dich im Bereich Sex Arbeiter Rechte? Seit Anfang der 90 er Jahre in der ersten deutschen Hurenbewegung.

 

 

 

Warum engagierst Du Dich? Weil ich es wichtig finde, das wir Rechte bekommen und das es längst an der Zeit ist, das gesamte Prostitutuionsgewerbe zu entkriminaliseren und das wir Gleichbehandlung mit anderen Wirtsschaftszweigen erfahren. Nur wenn wir keine Sonderstrafgesetze haben, kann man der Stigmatisierung, die unsere Branche seit Jahrhunderten erlebt, entgegen wirken.

 

 

 

Wie ist Deine Meinung zum aktuellen Eckpunktepapier zur Änderung des Prostitutionsgesetzes? Die vorliegenden Eckpunkte für ein neues Prostituiertenschutzgesetz stehen in Wirklichkeit für eine radikal-repressive Wende in der bundesdeutschen Prostitutuionspolitk. Was als mehr Schutz der Gesellschaft vorgetäuscht wird, ist bei genauer Betrachtung nur mehr Überwachung, Kontrolle und Sanktionen. Sinn und Zweck der Erlaubnispflicht, und darum geht es der GroKO, ist die maximale Eindämmerung von Prostitution. Und somit werden weiterhin die bereits diskriminierenden Gesetze zementiert und weitere dazu gefügt. Die gesamte Prostitutionsbranche wird unter einem Generalverdacht gestellt, krimininell zu sein.

 

Kernpunkt des neuen Prostitutionsschutzgesetz ist die geplante "Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten, die bereits dann, wenn eine einzige Sexarbeiterin in einer Wohnung der Prostitution nachgeht, ohne dort als Wohnungsinhaberin gemeldet zu sein. Sobald eine zweite Kolleginnen dazu kommt, wird es erlaubnispflichtig. Auch wenn man getrennt von seiner Privatwohnung eine zusätzliche Arbeitswohnung anmietet, so ist das laut Eckpunktpapier bereits eine genehmigungspflichtige Prostitutionsstätte. Dies wird zu Isolation von Sexarbeiterinnen führen. So ähnliche Verhältnisse kennen wir aus England und Frankreich, wo Sexarbeiterinnen gezwungen sind, durch die Rechtslage allein zu arbeiten Die Annahme das es nur große Etablissements betreffe ist falsch.

 

Die Auflagen sind allemal Anlass für zukünftige so genannte jederzeitige anlasslose, bundesweite, verdachtsunabhängige Kontrollen, die sich schnell als Lizenz zur Schließung von Prostitutionsstätten erweisen werden. Zu dem Begriff Zuverlässigkeitsprüfung: sowohl für den Betreiber als auch alle dort tätigen Mitarbeitern, bei dem Begriff "Zuverlässigkeit" handelt es sich um ein unbestimmter, undefinierter Rechtsbegriff, somit ist dem Willkür Tür und Tor geöffnet, plus die zuerwartende hohe Bußgelder , die Prostitutionsstättenbetreiber ökomisch in die Knien zwingen wird. Wie wir bereits schon als praktische Beispiel aus Wien, Zürich und Bern kennen.

 

Für Sexarbeiterinnen wird zukünftig das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG eingeschränkt.

 

Es wird schwierig werden für Sexarbeiterinnen Wohnungen anzumieten, wenn Wohnungseigentümer oder Personen, die Wohnraum an Sexarbeiterinnen vermieten, der Erlaubnispflicht unterliegen und somit zu Prostitutionsstätten-Betreiber werden und auch der Überwachung unterliegen. Es wird zu einer Arbeitsplatzvernichtung durch massive Einschränkung der Wohnungsprostitution kommen und zu einer gesellschaftliche Ausgrenzung kommen.

 

Der zweite gravierende Punkt ist die geplante Meldepflicht für sämtliche Sexarbeiterinnen, die zu einem lückenlose Bewegungsprofil jeder einzelnen Sexarbeiterin und im Endeffekt auf eine zentrale Hurendatei hinausläuft.

 

Wir werden vor die Wahl gestellt:

 

1. zwischen Zwangsouting und allen damit verbunden persönlichen Nachteilen.

 

2. den Job für immer an den Nagel zu hängen

 

3. oder die Flucht in eine neue melderechtliche Illegalität.

 

Die Meldepflicht wird alle betreffen , deutsche und ausländische Sexarbeiterinnen, wer sich dann, der Meldepflicht verweigert, wird mit Ordnungswidrigkeiten, Bußgeldern , Ausweisungen und mehr Verhaftungen von SexarbeiterInnen sanktioniert. Es wird zu einer weiteren Kriminalisierung kommen und zu einem Klima der Denunziation in Prostitutionsstätten führen. Nämlich wenn Betreiber durch die Konzessionierung dazu angehalten sind, nur registrierte Sexarbeiterinnen zu beschäftigen.

 

Hier der Aufruf gegen die Zwangsregistrierung auch in verschiedenen Sprachen: Englisch, Spanisch, Rumänisch, Bulgarisch, Französisch und Thailändisch.

 

http://www.donacarmen.de/?p=500 Ein weiterer Kritikpunkt ist das Verbot einzelner Prostitutionangebote. Der Verbot von Flatrate-Bordellen und Gang-Bang-Parties. Das Argument der verletzten Menschenwürde ist ein Klassiker. Heute gegen Flaterate-Bordelle, morgen gegen den Strassenstrich, übermorgen gegen Sado/Maso Studios. Der Protest kam ausschließlich aus den Reihen von den kirchlichen und den Radikalfemistinnen der Rettungsindustrie, was jetzt von den Politikern dankbar aufgegriffen wird, um gegen die gesamte Prostitutionsbranche repressive Gesetze zu rechtfertigen. Von Kolleginnen, die diese Prostitutionsformen für sich gewählt haben, habe ich niemals Protest gehört. Das Verbot dieser Prostitutionsformen wird weitere Arbeitsplatzvernichtung erzeugen und die Vielfalt der Prostitutionsformen reduzieren.

 

Zu den weiteren Punkten, die noch keine Einigung getroffen worden ist, gebe es noch viel zu kritisieren.

 

Kriminalisierung der Prostitutionskunden, die der Abschreckung dienen soll

 

Einführung einer Altersbegrenzung von 21 Jahren - das volljährige Frauen entmündigt und wie Kinder behandelt

 

zur geplanten Wiedereinführung gesundheitlicher Zwangsuntersuchung

 

zur Forderung bundesweiten Kondompflicht

 

zur Frage der Beibehaltung strafrechtlicher Sonderbestimmung

 

Keine Entkriminalisierung

 

zur geplanten Verschärfung der Menschenhandelsparagrafen und Ausweitung

 

zur Beibehaltung der Sonderbesteuerungsverfahren (Düsseldorfer Verfahren) und Sonderbesteuerung der Vergnügungssteuer

 

Dieser umfangreiche Katalog der neugeplanten Regelungen, plus die bereits bestehenden (Sperrgebietsverordnungen + Baurecht) ist das Mittel zum Zweck, das Ziel : "Eindämmung der Prostitutution", was letztendlich kurz unter der Schwelle eines Verbotes der Prostitution ist.

 

Wesentliche Forderungen der Sexarbeiter Bewegung - Entkriminalisierung , Gleichberechtigung und freie und ungehinderte Berufsausübung - , was jedem Bürger Deutschlands im GG § 12 laut Verfassung zusteht. wird mit der Salamitechnik Scheibchen für Scheibchen ausgehebelt und werden beiseite gewischt und ignoriert. Dies war auf dem Sexarbeit Kongress in Berlin, wo Politiker auf dem Podium geladen waren, sehr deutlich, das wir zwar gehört werden, aber ein Gespräch auf Augenhöhe nicht erfolgt, unsere Forderungen nach Rechte mit Arroganz und Ignoranz begegnet werden.

 

Der beste Schutz für Sexarbeiterinnen sind immer noch Rechte! Die die eigene Autonomie und Handlungsfreiheit gewähren.

 

 

 

Was wäre für Dich die ideale rechtliche Situation, um Sexarbeit zu regulieren? Die Entkriminalisierung , also Aufhebung aller 8 Sondergesetze im Strafrecht, Ausländerrecht und die Beibehaltung und Ausweitung diskriminierenden Polizeilandesgesetze. Wie gerade im Saarland im Landtag beschlossen. http://www.jusos.spd-saar.de/aktuelles/newsdetail-startseite/artikel/6/jusos-saar-k-2.html . Die rechtliche Gleichstellung und ein halbwegs normaler gesellschaftlicher Umgang mit Prostitution sind immer noch der beste Schutz für SexarbeiterInnen.

 

Die vier Leitlinien des Gesetzesentwurfs sind.

 

a) die konsequente Entkriminalisierung von Prostitution

 

b) die rechtliche Gleichstellung von Prostitution mit anderen Erwerbstätigkeiten

 

c) die gewerberechtliche Regelung des Umgangs mit Prostitutionsstätten

 

d) die Anerkennung selbständige Sexarbeit als freiberufliche Tätigkeit

 

Dona Carmen e. V. hat einen hervorragenden eigenen Gesetzesentwurf erarbeitet. Hier der link zur Gesetzentwurf zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse in der Prostitution: http://www.donacarmen.de/wp-content/uploads/2014/04/DonaCarmen-Gesetzentwurf20142.pdf Im Fokus der aktuellen Rollback-Politik haben die 3. Frankfurter Prostitutionstage http://www.donacarmen.de/?p=536 sich intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt und wie man in der Sexworker Bewegung neue Akzente zur Verbesserung zur Durchsetzung um den Kampf um unsere Rechte setzen kann. Denn Prostituiertenrechte sind Frauenrechte!

 

Denn die geplante Neuerungen durch das Prostiuiertenschutzgesetz erweisen sich als Generalangriff auf die legalisierte Prostitution und als Vorbote eines repressiven Umgangs mit Sexualität in der Gesellschaft.

 

Nach dem Motto: Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zu Pflicht!

 

Written by Ariane G.


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