Viele Menschen interessieren sich nicht für Politik. Prostitutionspolitik klingt etwas trocken und ist es auch. Dennoch sollten alle Sexworker und ihre Kunden, Betreiber:innen von Bordellen und Escort Agenturen sich mit diesem Thema eingehend beschäftigen, weil es ihre ureigenen Interessen unmittelbar berührt.
Viele Sexworker und Kunden glauben, dass Sexarbeit in Deutschland legal sei und deshalb überflüssig, sich mit Prostitutionspolitik zu beschäftigen. So einfach ist es aber nicht. Die Berufsverbände der Sexarbeitenden haben gegen das Prostituiertenschutzgesetz 2017 gekämpft, das viele Sexworker in die Illegalität zwingt, wenn sie sich nicht registrieren und anmelden. Andere können sich garnicht registrieren, da sie keine Papiere, keinen Wohnsitz, gesundheitliche Einschränkungen oder keinen gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland haben.
Außerdem werden die hinterlegten persönlichen Daten bei der Anmeldung (Hurenpass) automatisch an das Finanzamt weiter geleitet, das überprüft, ob eine Steueranmeldung erfolgt ist. Ist dies nicht der Fall, ist mit enormen Steuerschätzungen und Rückzahlungen zu rechnen. Das gleiche gilt für Krankenversicherungen. Dies sind große Barrieren, sich zu registrieren. Wenn man allerdings illegal arbeitet, kann man leicht Opfer von Erpressung werden.
Der Berufsverband BESD engagiert sich für die Rechte von Sexarbeitenden. Je mehr unterschiedliche Mitglieder der Verband hat, desto stärker ist er und kann alle Interessen berücksichtigen. Man kann dort auch passives Mitglied sein und muß sich keineswegs outen oder Interviews in den Medien geben. Bei Demonstrationen kann man mit einer Maske und Perücke, Sonnenbrille auftreten und muß kein Gesicht zeigen. Man ist nicht gezwungen, zu demonstrieren. Aber ein Verband, der inklusiv ist und die unterschiedlichen Menschen in den verschiedenen Arbeitssettings hörbar macht, ist die Voraussetzung erfolgreicher Lobbyarbeit.
Ideal ist es natürlich, wenn man sich persönlich engagiert. Dazu muß man sich zunächst einmal mit der Informationslage zu einem bestimmten Thema wie dem Sexkaufverbot beschäftigen. Wenn man den Überblick hat, kann man mitreden. In einem Berufsverband ist man als Sexarbeiter:in nicht allein, sondern man arbeitet gemeinsam mit anderen an Themen und Projekten und in Arbeitsgruppen. Natürlich meist ehrenamtlich und nur, wenn es die Zeit zuläßt.
Deshalb rate ich, Euch umfassend zu informieren, Mitglied in den Verbänden zu werden oder sie mit einer Spende zu unterstützen, damit sie in Eurem Sinne Politik machen können und politisch einflußreich sind. Denn wir sind wirklich nicht eine „Zuhälterlobby“ mit Finanzkapital, wie es die Prostitutionsgegner:innen immer behaupten, sondern oft ehrenamtlich tätige aktive und ehemalige Sexworker. Auch Kunden und Betreiber:innen können den Berufsverband Sexarbeit BESD mit einer Spende unterstützen, wenn sie die Ziele der Verbandsarbeit kennen und schätzen. Oder alternativ den BSD sowie den UEGD, die Betreiber-Verbände mit Mitgliedschaft und Spende unterstützen. Denn das Sexkaufverbot, das auch für Deutschland gefordert wird, fürchte ich persönlich sehr. Es würde dazu führen, dass ich wahrscheinlich meinen Job verliere und Sexworker unter schwierigsten Bedingungen weiter arbeiten, wo sie vermehrt Stigma, Ausgrenzung und Gewalt ausgesetzt sind. Verbote verstärken das Stigma und die Risiken nur. Prostitution verschwindet dadurch nicht, sondern macht es nur gefährlicher. Offenbar ist die mangelnde Sicherheit von Sexworkern in Ländern mit Sexkaufverbot ein "Kollateralschaden", den die Politik wissentlich in Kauf nimmt.
Ich befürchte, dass auch das Sexkaufverbot in Deutschland in einigen Jahren eingeführt werden könnte, wenn das Prostituiertenschutzgesetz von 2017 ausgewertet wird. Die Ergebnisse werden wahrscheinlich die Forderung nach einem Sexkaufverbot anheizen. Unsere Berufsverbände haben zwar viel Verstand versammelt, aber zu wenig Kapital und Macht. Wir sind keineswegs eine "Zuhälterlobby", wie die Prostitutionsgegner:innen immer meinen. Wir können nur mit Verstand und Argumenten überzeugen, nicht mit Macht und Einfluss, die für erfolgreiche Lobbyarbeit grundlegend ist. Die Prostitutionsgegner:innen können auf die internationale Macht, Einfluss, Geld der klerikalen und evangelikalen Kreise zurück greifen, die auch in Europa ihre Agenda durchsetzen wollen.
Folge auch den ersten Teilen 1-3 dieser Serie über die Zukunft der Sexarbeit und diskutiere im Kommentarbereich mit!