Zeit, ein vorläufiges Fazit zu ziehen. Ein Jahr Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) und die Auswirkungen auf die Rotlicht-Branche.

 

Ein Interview mit Howard Chance

KM-Team: Howard, das umfangreiche Gesetzeswerk, das Prostituiertenschutzgesetz, ist seit einem Jahr in Kraft. Du hast Unternehmen unter Deinen Kunden, die Du berätst. Wie steht es um die Chancen der Betriebe, eine Erlaubnis zu bekommen? Müssen viele Betriebe dicht machen, weil sie die Anforderungen nicht erfüllen können? Wie ist Deine Einschätzung?

Das „Gesetzeswerk“ ist an sich gar nicht so umfangreich, sondern eher knapp formuliert und in vielen Aspekten sehr uneindeutig gehalten. Was steckt hinter Begriffen wie „geeignet“, „zweckmäßig“ und „sachgerecht“, die man an mehreren Stellen im Gesetzestext findet? Umfangreich wird es, wenn man die ergänzend erlassenen Landesverordnungen zusätzlich betrachtet und mit dem Baurecht konfrontiert wird, dass laut ProstSchG „unberührt bleibt“! Dass nun auch noch das Infektionsschutzgesetz und das Arbeitsschutzgesetz von den Behörden in die Genehmigungsverfahren eingebracht werden, macht die Erlaubnis-Erteilung nicht einfacher!

Außerdem wird die persönliche Zuverlässigkeit von Antragsstellerinnen und Antragsstellern mancherorts sehr intensiv geprüft und selbst bei Trivialitäten / Bagatellen (wie z.B. mehreren Parkverstößen) sehen manche Ordnungsamtsmitarbeiter die Möglichkeit Genehmigungen zu verweigern! Macht macht halt erfinderisch? Die Betreiberinnen und Betreiber, die ich mit meinen Kollegen vertrete, bemühen sich um Kooperation mit den

Behörden, da man nicht unnötig in denkbaren Verwaltungsverfahren landen möchte, deren Ausgang zeitlich unbestimmt ist. Was nützt es, wenn man in einem Jahr Recht bekommt, der Betrieb aber bis dahin geschlossen bleiben muss?

Wie viele Betriebe in Deutschland „erlaubnisfähig“ sind, kann man nur sehr schwer schätzen! Wir nehmen nur Mandate an, bei denen eine Aussicht auf Erfolg besteht! Bei den erfolgten „Vorprüfungen“ (also der Analyse, ob überhaupt eine Chance auf Genehmigung besteht) waren bei etwa 150 Anfragen deutlich über die Hälfte nicht genehmigungsfähig und dies in den meisten Fällen wegen „baurechtlicher Unmöglichkeit“! Wenn es beim Baurecht nicht passt, kann ich mir das schönste Betriebskonzept gleich sparen! Dann hilft im Prinzip nur der Orts- bzw. Objektwechsel!

 

KM-Team: Bei den Anforderungen an die Betriebe ist einiges zu erfüllen, wodurch Ausbaumaßnahmen uvm. notwendig werden. Wie sieht es mit der Ausstattung mit Alarmknöpfen und getrennten Sanitärbereichen für Sexworker und Kunden aus?

Über die baurechtlichen Anforderungen kann man Bücher schreiben, bzw. die Bücher lesen, die es dazu schon gibt! Prostitutionsstätten werden jetzt wie „normale Gewerbebetriebe“ behandelt und haben alle Vorschriften einzuhalten, die es so gibt. Brandschutz steht an oberster Stelle: Türen, Decken, Böden und Wände müssen

aus Materialien bestehen, die Bränden eine gewisse Zeit widerstehen. Rettungswege und Notausgänge müssen vorhanden und ausgewiesen sein und in mehrstöckigen Häusern müssen auch die Treppenhäuser „sicher“ sein.

Dabei ist es ein großer Unterschied, ob man von „privaten“ oder „gewerblichen“ Räumen spricht! Prostitutionsstätten sind immer gewerblich zu betrachten! Es wird im „privaten Rahmen“ empfangen? OK! Aber das Objekt wird bau- und ordnungsrechtlich als absolut gewerblich eingestuft! Eine Anpassung an die gewerblichen Vorschriften kann, wenn denn überhaupt erlaubt und möglich, sehr kostenintensiv werden!

Zu den weiteren Fragen: Die Alarmsysteme sind Pflicht und werden von den prüfenden Ordnungsbehörden gefordert! In kleinen Betrieben reicht manchem Ordnungsamt der „Jogger-Alarm“ (eine elektronische Trillerpfeife), ein anderer Beamter verlangt in einem 3-Zimmer-Club fest montierte versteckte Alarmgeber mit Aufschaltung zur Polizei und selbst im Escort-Bereich denken einige Behörden in NRW über eine GPS-Alarm-App mit mobilem Auslöser nach. Während die elektronische Trillerpfeife sehr preiswert ist, sind andere technische Lösungen unter Umständen sehr kostenintensiv, gerade wenn Alarmzentralen und Aufschaltungen im Raum stehen!

Die „Sanitär-Frage“ ist auch nicht bundesweit einheitlich geregelt! Im Bundesgesetz steht etwas von „geeigneten Sanitärbereichen“. Was „geeignet“ ist, entscheiden dann die Länder. Warum? Weil sie gesetzlich „ermächtigt“ wurden, eigene ergänzende Vorschriften und Landesverordnungen zu erlassen! Föderalismus, der nun für Verwirrung sorgt, weil sich Dinge landesspezifisch unterscheiden! Das ist auch in der Beratung sehr schwierig, weil man immer überlegen muss, welche Regeln wo gelten und welche eben nicht! Fazit: die Grundsätze des Bundesgesetzes gelten natürlich immer und überall, viele Details zur Umsetzung und Ausgestaltung differieren von Land zu Land leicht bis erheblich!

 

KM-Team: Wie hoch schätzt Du aufgrund Deiner täglichen Erfahrungen die Anzahl an SexarbeiterInnen ein, die sich bislang tatsächlich pflichtgemäß angemeldet haben?

Ich habe da aktuell keinen wirklichen Überblick! Das statistische Bundesamt hat kürzlich Zahlen für 2017 veröffentlicht: demnach haben sich zwischen dem 1. Juli und dem 31. Dezember 2017 bundesweit nur knapp 7.000 Sexworkerinnen registriert! Nun gut, im ersten halben Jahr der Umsetzung gab es vielerorts weder Beratungstermine noch gegenständliche „Huren-Pässe“, aber bei geschätzten 200.000 – 400.000 Sexworkern in Deutschland (woher auch immer die Zahlen stammen mögen) ist das natürlich eine sehr bedenkliche Quote!

Aus dem Bundesministerium in Berlin wurde kürzlich unter der Hand eine Zahl von etwa 20.000 erfolgten Registrierungen genannt, wobei wir dann bezogen auf die vermutete Gesamtzahl bei 5 – 10 % wären. Aus persönlichen Gesprächen weiß ich, dass es eine sehr große Anzahl von Sexworkerinnen auf der „erste straffreie Erwischen“ warten wird, bevor der „Huren-Pass“ in Angriff genommen wird! Nach dem Gesetzestext wird ja beim ersten „Verstoß“ gegen die Beratungs- und Registrierungspflicht lediglich ermahnt und dann zum baldigen „Vollzug“ aufgefordert! Allerdings kann man ohne den Ausweis in vielen Betrieben nicht mehr arbeiten, da die Betreiberinnen und Betreiber sofort zur Kasse gebeten werden können, wenn sie Sexworkerinnen ohne „Huren-Pass“ in ihren Betrieben dulden!

 

KM-Team: Wie sieht es eigentlich mit der männlichen Sexarbeit aus? Weisst Du, ob manche Anbahnungsstätten für Stricher auch vom Gesetz betroffen sind? Zu diesem Thema hört und liest man nix.

Die Frage ist sehr interessant! Ich hatte bislang erst eine Anfrage aus dem Gay-Bereich und bei einer Rückfrage im Kölner Schwulen-Milieu habe ich erfahren, dass die dortigen Saunen und Darkroom-Clubs, in denen eindeutig Sexworker verkehren, der Meinung sind, dass das Prostituiertenschutzgesetz für sie nicht gelten würde! Das Gesetz beinhaltet aber eindeutig keine solche Ausnahmen! Die sexuelle Neigung oder Veranlagung, ob nun hetero oder schwul / lesbisch, spielt keine Rolle! Sex gegen Geld oder finanziellen Vorteil ist Prostitution, ohne wenn und aber! Auch auf Behördenseite hat man die gewerbliche Gay-Work scheinbar nicht auf dem Schirm und es scheint, als ob Prostitution in diesem Bereich ein „Tabu“ sei. Deswegen gibt es hierzu wohl auch überhaupt keine Berichterstattung in den Medien.

 

KM-Team: Was passiert zur Zeit mit illegalen Betrieben? Machen die trotzdem weiter und warten ab, dass ihnen ein Amt die Bude zuschließt? Wandert ein Gutteil des Gewerbes ins Ausland ab?

Die Lage ist sehr unterschiedlich, je nach Bundesland! In Nordrhein-Westfalen gibt es bereits umfangreiche Maßnahmen gegen illegale Betriebe! Wenn man keinen Antrag auf Erlaubnis gestellt hat, ist man zwangsläufig in der Falle: das ist Betreiben eines Prostitutionsgewerbes ohne Erlaubnis und kann ohne Vorwarnung mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 € belegt werden. Gleichzeitig wird dann der weitere Betrieb untersagt und damit hat man dann auch gleich noch das Problem für eine Neueröffnung „unzuverlässig“ zu sein! Der Fragebogen zum

Erlaubnisantrag beinhaltet nämlich die Frage, ob bereits einmal ein Prostitutionsgewerbe amtlich untersagt wurde! Das ist ja dann der Fall und da kann man dann nur noch ganz kleine Brötchen backen und auf die amtliche „Barmherzigkeit“ hoffen! Natürlich gibt es auch Betriebe, die ganz genau wissen, dass sie zum Beispiel aus baurechtlichen Gründen keine Genehmigung erlangen können. Daher wurde kein Antrag gestellt und man macht so lange weiter, bis sich das Amt meldet.

Eine Abwanderung von Betrieben ins Ausland, können wir im Bereich der Escort-Agenturen feststellen: wenn man in Deutschland keinen Firmensitz hat, ist ja keine Ordnungsbehörde direkt zuständig und die Chancen durch das „Prüfraster“ zu rutschen, sind recht gut! Denn jeder Beamte freut sich erst einmal, wenn er nicht zuständig ist und so eine Akte weniger auf dem Schreibtisch liegt! Probleme sind allerdings mit den Finanzbehörden zu erwarten, die gerne ihre Umsatzsteuer für im Inland erbrachte Dienstleistungen haben möchten und daher schon einmal nachprüfen, wo der „wahre“ Firmensitz denn ist. Wenn sich hier „Umgehungstatbestände“ ergeben, hat man einigen Ärger im Haus und das kann dann auch recht teuer und unangenehm werden!

 

KM-Team: Wenn Du an die Sexworker denkst: Weißt Du näheres darüber, wie sich die vielen Migrantinnen in der Sexarbeit entscheiden, ihren Job anzumelden? Was sind die größten Hemmnisse?

Eine schwierige Frage! Migrantinnen in der Sexarbeit gehören in der Regel nicht zu meinen Kunden, allerdings gibt es diese natürlich in Betrieben, die ich in der Beratung betreue. Ladies, die in Clubs gutes Geld verdienen, haben sich meistens frühzeitig registriert! Hier sind die Datenschutz-Bedenken, die viele deutsche Kolleginnen haben, eher gering, da man nicht damit rechnet, dass Informationen ins Heimatland weitergegeben werden. Dies passiert auch nicht, wenn man denn in Deutschland Steuern bezahlt, beispielsweise im Rahmen des „Düsseldorfer Verfahrens“ oder eben unter einer speziellen Steuernummer. Doch ob diese Zahlungen dann wirklich geleistet werden, betrachte ich persönlich als fraglich. Viele Sexworkerinnen, egal ob Migrantin oder Bundesbürgerin, sehen ein grundsätzliches Problem der Registrierung in der automatisch erfolgenden steuerlichen Erfassung. Gerade wenn man bereits seit Jahren aktiv ist und sich die Steuer regelmäßig „gespart“ hat, möchte man nicht gerne in die rückwirkende Überprüfung geraten! Steuerhinterziehung kann sehr teuer werden und ist zudem natürlich auch strafbar! Viele Ordnungsämter fragen sehr intensiv nach und leiten ihre Ergebnisse dann auch an die Steuerbehörden weiter, die dann fix etwas zusammen puzzeln!

 

KM-Team: Wie schätzt Du die Zukunft der Branche ein oder ist es zu früh darüber zu spekulieren?

Prostitution hat es immer gegeben und wird es auch immer geben! Die neuen gesetzlichen Regelungen „hemmen“ das Geschäft, die Anzahl der offiziellen Betriebe wird sich möglicherweise halbieren; der „private Bereich“, wo man in der Grauzone agiert, wird größer werden. Die Bedürfnisse der Kundschaft müssen im wahrsten Sinne des Wortes „befriedigt“ werden und anonyme Online-Dating-Apps, auf die unsere Behörden keinen Zugriff haben sind im kommen! Der Neandertaler zahlte mit der Wildschwein-Keule und in der heutigen Zeit entrichtet man den geldwerten Vorteil möglicherweise über Kryptowährung. Wenn man den Zahlvorgang von der sexuellen Dienstleistung löst, kann man möglicherweise die Prostitution negieren? Andererseits wird sich der illegale Bereich der Sexarbeit aus der Schutzzone bewegen und so ein Hauptziel des ProstSchG behindern: den Schutz der wirklich Schutzbedürftigen in der Prostitution!

 

KM-Team: Vielen Dank Howard für das Interview!

 

Ein Jahr Prostituiertenschutzgesetz und die Folgen: inwieweit hat sich das Gesetz bei Euch ausgewirkt? Habt Ihr Fragen zum Interview? Dann schreibt uns Eure Erfahrungen in den Kommentarteil!

 

Weitere Artikel zum Thema ProstG und ProstSchG chronologisch angeordnet:

 

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2 comments

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Hallo, ich kenne eine Fraiu hier von KM, die ein kleines nettes Studio hatte. Sie war selbsständig. Wegen des enuen Gesetzes bekam ihre Vermieter "kalte Füße" und hat ihr gekündigt. Er hat vermutlich Angst, die zahlreichen Auflagen als Vermieter nicht erfüllen zu können. Gibt es eigenlich auch eindeutige Regelungen, was ein Vermieter leisten muss und was die Mieterin? Ich demnke, dass die "Hauptlas" beim Vermieter liegt und befürchte daher, dass es viele Fälle geben wird, wo solchen Fauen, die alleine arbeiten und Mieterin sind, gekündigt wird.

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Anonymous

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Ich bin jetzt auch in Kaufmich unter dem Profil "howardchance" zu erreichen und freue mich über lebhaften Austausch zum Thema Prostituiertenschutzgesetz! Euer Howard

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